Hamburg. Arbeiten an Kaiser-Wilhelm-Straße sorgen bei Anliegern für Ärger. Weitere Erneuerungen geplant. Behörde reagiert überrascht.

Schon lange bilden die Straßen rund um das Bezirksamt Mitte in der Hamburger City ein Nadelöhr für den Verkehr: Bauarbeiten an der Westseite des einstigen Sitzes von Axel Springer und die einspurige Caffamacherreihe im Osten lassen die viel befahrene Gegend zur Staufalle werden.

Die Kaiser-Wilhelm-Straße ist durch die Baustelle seit langem für Autos auf eine Fahrbahn verengt zur Einbahnstraße reduziert. Auch für Radler ist die Route praktisch nicht nutzbar – durch gefährliche Engstellen ist sie nur mit Mut zum Risiko befahrbar.

Verkehr Hamburg: Baustelle an Kaiser-Wilhelm-Straße verzögert sich erneut

Und nun müssen sich die Hamburger an der wichtigen Verbindung zwischen Laeiszhalle und Axel-Springer-Platz noch auf weitaus längere und erhebliche Einschränkungen gefasst machen.

Bis Mitte kommenden Jahres wird an der Kaiser-Wilhelm-Straße gebaggert und gegraben, die Gegend entwickelt sich zur Dauerbaustelle. Dabei hat sich die City während der Corona-Zwangsschließungen ohnehin schon zum Sorgenkind entwickelt, viele Flächen stehen seitdem leer, der Handel klagt über fehlende Kunden.

Kaiser-Wilhelm-Straße: Arbeiten sollten viel früher abgeschlossen werden

Dazu kommt: Es hatte bisher nicht nur wiederholt Verzögerungen gegeben, zuletzt hatte es auch geheißen, die Arbeiten sollten in diesem Frühjahr beendet sein. Die Herstellung von Leitungstrassen, Fahrbahn und Radwegen soll 2023 abgeschlossen werden, so lautete der Plan noch im Mai 2022.

Auf Abendblatt-Anfrage hieß es jetzt vom zuständigen Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) in Hamburg lapidar, die Baustelle verzögere sich leicht, das sei doch nichts Ungewöhnliches. Außerdem äußerte die Pressestelle der Behörde ihre Verwunderung darüber, warum dieses Thema interessiere. Es sei nun jedenfalls mit einer Fertigstellung erst im nächsten Jahr zu rechnen.

Sperrungen in Hamburgs Innenstadt: Restaurantbesitzer wütend

Dabei interessieren sich nicht nur die Autofahrer, die in die Innenstadt pendeln, sondern insbesondere auch die Gewerbetreibenden im Viertel brennend für den Fortgang der Arbeiten – denn bei manchem hängt daran nicht weniger als die Existenz.

Besonders betroffen ist etwa das Kyba, ein neues Restaurant mit gehobener Küche in der Kaiser-Wilhelm-Straße 73. Als sich der Besitzer, Marc Gerlach, für das Objekt Ende 2021 interessiert hatte, seien ihm nicht nur vom Eigentümer und der Verwaltung der Immobilie, sondern auch vom Makler und laut Informationen der Stadt selbst mitgeteilt worden, dass die „hiesige Baustelle Mitte 2022 fertiggestellt sein soll“, berichtet der Hamburger.

Daraufhin hätte er die Flächen Anfang 2022 gemietet, musste dann aber die Eröffnung des Lokals immer weiter nach hinten verlegen. „Mitte 2022 wurden wir dann auf Ende 2022 vertröstet, entsprechend haben wir dann weiter gewartet“, sagt der 32-Jährige über die anhaltenden Störungen durch Sperrungen, Bagger und aufgerissene Böden.

Baustelle verzögert: Gastronom bleibt auf Kosten sitzen

„Als dann ersichtlich war, dass die Baustelle auch Mitte dieses Jahres weiterhin bestehen würde, mussten wir aus Kostengründen das Restaurant Anfang Februar 2023 endlich eröffnen“, sagt Gerlach. Die Umsatzzahlen bewegten sich nun langsam auf die „schwarze Null“ zu. Nichtsdestotrotz sei die Baustelle vor Ort seit Anfang 2022 und nun auch im laufenden Restaurantbetrieb ein „Kundenkiller“.

Die Baustelle auf der Kaiser-Wilhelm-Straße: Links ist der schmale Streifen für die Fußgänger zu sehen.
Die Baustelle auf der Kaiser-Wilhelm-Straße: Links ist der schmale Streifen für die Fußgänger zu sehen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Immerhin ist der Bürgersteig vor dem Restaurant nur ein sandiger Trampelpfad, ein schmaler Streifen, der auch eine Außenbestuhlung nicht zulässt. Gerlach rechnet vor: „Wir kommen seit Anfang 2022 aufgrund der Baustelle und der Verzögerungen, sowie der entsprechenden Umsatzausfälle insgesamt auf einen Defizitbetrag von 132.000 Euro.“ Mit einer entsprechenden Forderung nach Schadenersatz hat sich der Unternehmer an den LSBG gewendet. Eine Antwort erhalten hat Gerlach aber bisher nicht.

Bauarbeiten dauern länger: Schuldzuweisungen der Beteiligten

Derweil schieben sich die Beteiligten gegenseitig die Schuld für den nicht eingehaltenen Zeitplan zu. Der LSBG verwies gegenüber dem Abendblatt auf Stromnetz Hamburg, das derzeit verantwortlich für die Baustelle an der Kaiser-Wilhelm-Straße sei. Zunächst bestätigte Stromnetz Hamburg vor einigen Tagen auch eine Verzögerung, ruderte dann aber wieder zurück, man sei im Plan.

Sicher ist jedenfalls: Die Erneuerungen der Stromleitungen müssen erst abgeschlossen sein, bevor der weitere Ausbau der Straße beginnen kann. Parallel zu den bisherigen Sanierungen war zudem der Tunnel unter der Kaiser-Wilhelm-Straße abgerissen worden, wegen Denkmalschutzes ebenfalls ein aufwendiges Projekt.

Nach Angaben von Stromnetz Hamburg werde man nun, „wie geplant, die Baumaßnahme Ende Juli abschließen und das Baufeld an den LSBG, sprich an die Straßenerneuerung, abgeben“.

Kaiser-Wilhelm-Straße wird zur Veloroute ausgebaut

Dann folgt der nächste Akt: Denn die Verkehrsachse in Richtung Rödingsmarkt wird anschließend noch zur Veloroute aufgerüstet, dazu sollen beidseitig Radfahrstreifen entstehen. Die Haltestellen der Metrobus-Linie 3 und der Expressbus-Linie X35 werden außerdem barrierefrei um- und ausgebaut.

Nach den Arbeiten von Stromnetz Hamburg ist der Ausbau der Kaiser-Wilhelm-Straße zur Veloroute geplant.
Nach den Arbeiten von Stromnetz Hamburg ist der Ausbau der Kaiser-Wilhelm-Straße zur Veloroute geplant. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Auf Höhe der Einmündung Neustädter Straße wird darüber hinaus eine neue Mittelinsel eingerichtet, die insbesondere dem Fußverkehr eine gute Erreichbarkeit des Bezirksamts Mitte ermöglichen soll. Geplanter Abschluss laut LSBG: Juni 2024. Und damit insgesamt zwei Jahre später als Anliegern wie Marc Gerlach kommuniziert.

Verkehr Hamburg: Gewerbetreibende besorgt wegen Baustelle

Neben dem Restaurant Kyba sind hiervon auch andere Anlieger weiterhin stark beeinträchtigt. Hendrik Mantei, Shopmanager des Tattoo-Studios HØØD 7 an der Kaiser-Wilhelm Straße 59, das erst 2020 eröffnet und zunächst durch Corona gelitten hat, sieht auch den nächsten Monaten mit Sorge entgegen.

„Wir haben durch die Baustelle keine Laufkundschaft mehr und der Staub von draußen macht uns das Leben schwer, denn wir brauchen ein hygienisch einwandfreies Studio“, sagt Mantei.