Hamburg. Der Vater eines zwöllfjährigen Jungen und die Großmutter des Kindes sind heute vom Amtsgericht Harburg wegen gemeinschaftlichen Verstoßes gegen die Schulpflicht verwarnt worden und zu Geldstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Vater des Jungen und seine Großmutter, bei der Jason L. (Name geändert) wohnt, es über sehr lange Zeit versäumt haben, dafür Sorge zu tragen, dass Jason regelmäßig am Schulunterricht teilnimmt.
95 Tage hat der kleine Junge, der die Stadtteilschule Slomanstieg auf der Veddel besucht, voriges Jahr unentschuldigt gefehlt. Trotz diverser Elterngespräche, Hausbesuche, Behördenschreiben und Bußgeldbescheide, für die der Vater und die Großmutter allein mehrere Hundert Euro bezahlen mussten. Beide gestanden vor Gericht Fehler ein.
Sie habe ihrem Enkelkind „immer wieder ins Gewissen geredet, zur Schule zu gehen“, sagte Jasons Oma Josefine L. (Name geändert). Doch es habe nichts gebracht. Der Junge habe sich neben Fußballspielen ausschließlich für Computerspiele interessiert. Davon habe sie ihn nicht abbringen können. Während sie schlief, habe Jason bis tief in die Nacht hinein an der Playstation gesessen und Spiele wie „League Of Legends“ und „Fortnite“ gespielt. Tagsüber habe der Junge geschlafen.
Lehrerin sieht grundlegendes Problem
Auch Jasons Vater Bruno L. (Name geändert), der mit seiner zweiten Frau in Rissen lebt, hat die fatale Entwicklung seines Sohnes, den er nur an Wochenenden sieht, offenbar gründlich unterschätzt. So habe er „nichts Schlimmes“ daran gefunden, wenn sein Sohn „ein-, zweimal die Woche“ im Unterricht fehlt, betonte der Staatsanwalt. Erst vor Kurzem sei es ihm gelungen, seinen Sohn einigermaßen für die Schule zu motivieren – indem er ihm für bessere Zeugnisnoten ohne Fünfen und Sechsen 100 Euro versprach, sagte Jasons Vater, der als Kraftfahrer arbeitet.
Doch auch dieses Jahr verzeichnen Jasons Lehrerinnen an der Slomanschule schon 46 Fehltage. 31-mal fehlte der Junge unentschuldigt, 93-mal kam er zu spät zum Unterricht. Die Beratungslehrerin der Schule sagte als Zeugin aus. Es sei ein grundlegendes Problem an der Schule, dass „alle Kinder an der Schule sehr viele und zum Teil gewaltverherrlichende Computerspiele“ spielten. Gespräche mit Eltern und Schülern fruchteten nicht. Der Regionale Sozialdienst sei in Jasons Fall frühzeitig eingeschaltet worden. Bei unangemeldeten Hausbesuchen habe der Junge geschlafen, sagte die Lehrerin.
Vater will Computer verbieten
Der Sechstklässler befindet sich heute vom Lernniveau auf dem Stand eines Drittklässlers. Er kann weder richtig lesen noch schreiben. Jasons Vater kündigte in seinem Schlusswort an, seinem Sohn Computerspiele zu verbieten, ihm seinen Computer zu entziehen und seinen Account zu löschen. „Der Entzug ist richtig“, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. „Man kann dem Jungen das nicht durchgehen lassen. Sonst wird er den Hauptschulabschluss nicht schaffen. Mit gravierenden Folgen.“
Die Richterin beließ es bei einer Verwarnung der beiden – nicht vorbestraften – Angeklagten. Sollten sie aber nicht sicherstellen, dass Jason in den nächsten anderthalb Jahren regelmäßig zur Schule geht, droht Bruno L. eine Geldstrafe von 1200 Euro und seiner Großmutter, die von Sozialhilfe lebt, von 240 Euro oder jeweils 30 Tage Haft.
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