Hamburg. „Einige denken bestimmt, dass es hier noch nicht fertig ist, aber das wollen wir ja gerade so“, sagt der Mann mit der Kabeltrommel in der Hand und zeigt auf die Wand. Neben frisch gestrichenem Weiß blitzt hier und dort das rote Mauerwerk durch. Ebenso an den Decken. Das Unvollkommene gehört als Stilelement dazu. Aber das, was wirklich fertig sein soll, ist es größtenteils auch.
Nach 18-monatiger Sanierung wird die „Fabrique“ im historischen Gängeviertel jetzt mit einem langen Veranstaltungswochenende wiedereröffnet. Auf fünf Ebenen und rund 1700 Quadratmetern ist ein sozio-kulturelles Zentrum entstanden, das für alle offen sein soll, die sich für Kunst, Politik und Stadtleben interessieren.
Das Gebäude der „Fabrique“ im Gängeviertel hat eine lange Geschichte
Neben der „Farbfabrique“ für Siebdruck gibt es einen Bewegungsraum, eine Probebühne für die freie Theaterszene, eine Fotofabrik, einen Seminarraum, die „WOW“-Veranstaltungsfläche mit großer Bar und eine Kunstgalerie. Auch das Freie Sender Kombinat FSK hat hier einen Raum angemietet. „Die ,Fabrique‘ soll allen offen stehen, egal, ob Laie oder Profi, ob gut oder knapp bei Kasse“, sagt Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling.
Das „Fabrique“-Gebäude hat eine lange Geschichte. In dem 1903 erbauten Haus wurden zunächst Papiere, Gürtel und Schnallen hergestellt. Seit den 1980er-Jahren nutzten Künstler das Gebäude. Um es jetzt als sozio-kulturelles Zentrum nutzen zu können, war viel Arbeit nötig: Wärmedämmung, moderne Heizungsanlage, Bau des Treppenhauses, Einbau des Fahrstuhls, neue Böden, Wände und vieles mehr. „Anspruchsvoll war das besonders, weil wir den Denkmalschutz beachten mussten und gleichzeitig ein Gebäude schaffen wollten, was den modernen Standards entspricht“, sagt der Architekt Joachim Reinig.
Die Instandsetzung der „Fabrique“ hat fast drei Millionen Euro gekostet
Insgesamt 2,9 Millionen Euro hat die Instandsetzung gekostet. Ein Großteil davon wurde öffentlich gefördert. 1,5 Millionen Euro stammen vom Sanierungsfonds Hamburg 2020, weitere 400.000 Euro vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE).
„Der Betrieb für das erste Jahr ist erstmal gesichert“, sagt Christine Ebeling. Man sei allerdings auf weitere Förderung angewiesen. Und auf die Miete für die Raumnutzung. Die liegt inklusive der Nebenkosten im Schnitt bei um die sechs Euro pro Quadratmeter. „Das klingt wenig – ist für uns aber dennoch eine bittere Pille“, so Ebeling weiter. Eigentlich wollten wir die Räume Künstlern und Projektgruppen kostenfrei zur Verfügung stellen.“ Doch das war am Ende nicht realisierbar. Als Kompromiss gibt es nun gestaffelte Mietpreise – je nach finanziellen Möglichkeiten und Zielgruppen.
Hinter dem Gängeviertel liegen turbulente Jahre. Das historische Ensemble zwischen Valentinskamp, Caffamacherreihe und Speckstraße wurde im August 2009 von der „Komm in die Gänge“-Initiative besetzt. Ihr gelang es, den geplanten Abriss abzuwenden. Seitdem Hamburg das Gängeviertel zurückgekauft hat, geht es letztlich immer um die Frage, wer wie viel mitbestimmen darf. Etwa vor einem Jahr war es zu einem Zerwürfnis mit der Stadt gekommen. Streitpunkt war die Frage, ob die Gängeviertel-Aktivisten das Quartier als Genossenschaft verwalten dürfen, obwohl sie nicht die Eigentümer sind. Am Ende konnten sich Stadt und Initiative dann doch auf das Genossenschaftsmodell einigen.
Ein wichtiger Meilenstein war der Bezug der ersten sanierten Wohnungen im vergangenen Jahr. Die 29-jährige Gwen lebt seit Oktober hier in einer Sechser-WG. Derzeit hilft sie bei der Fertigstellung der großen Veranstaltungsfläche „WOW“ im Erdgeschoss. „Hier lebt es sich einfach super. Das fühlt sich nach Freiheit an“, findet sie.
Jetzt ist der erste Sanierungsabschnitt des Gängeviertels beendet
Mit der „Fabrique“ ist der erste Sanierungsabschnitt des Gängeviertels beendet. Als Teil des Ensembles wurden zuvor bereits das Kupferdiebehaus und das „Jupi-Haus“ fertiggestellt. Wann und wie es mit dem zweiten Bauabschnitt weitergeht, ist noch unklar. „Die Verhandlungen mit der Stadt laufen noch“, sagt Ebeling.
Einige Flächen der „Fabrique“ sind noch im Ausbau. Die endgültige Fertigstellung wird sich noch ein paar Wochen hinziehen. Die Gängeviertel-Crew rechnet mit Ende Mai oder Anfang Juni. Dann soll es noch mal eine große offizielle Eröffnung geben. Wer sich jetzt schon umsehen möchte, hat dazu vom heutigen Donnerstag bis zum Sonntag die Gelegenheit. Im Sommer soll die „Fabrique“ dann täglich rund zwölf Stunden lang geöffnet sein.
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