Die Ausstellung “Euthanasie“ erinnert im Rathaus an Verbrechen an hilfsbedürftigen Menschen. Sie zeigt, dass die Täter nicht anonym waren, oft handelt es sich bei ihnen um bekannte Mediziner.

Hamburg. Irma Sperling war drei Jahre alt, als Ärzte bei ihr eine schwere körperliche Entwicklungsstörung diagnostizierten. Aber es gab Hoffnung: Als sie Anfang 1933 für drei Monate ins Kinderkrankenhaus Rothenburgsort eingewiesen wurde, machte sie schnell Fortschritte. Während Irma innerhalb von kurzer Zeit stehen, sitzen, laufen und selbstständig essen lernte, veränderte sich die politische Situation in Deutschland grundlegend. Am 30. Januar wurde Adolf Hitler Reichskanzler, die Nationalsozialisten übernahmen die Macht. Und das sollte sich auf die Lebensperspektive von Menschen wie Irma Sperling auf grausame Weise auswirken.

An diesem Freitag beginnt in der Hamburger Rathausdiele eine Ausstellung, die an die Morde an Menschen mit Behinderungen und psychischen Störungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Hamburg erinnert. Die neuen Machthaber waren kalt und erbarmungslos, sie maßten sich an, zwischen lebenswertem und nicht lebenswertem Leben zu unterscheiden. Im Rahmen ihres Euthanasie-Programms verübten sie zahllose Verbrechen an hilfsbedürftigen Menschen. Ärzte nahmen Zwangssterilisationen vor, Beamte wiesen Patienten in Anstalten ein, in denen sie an Unterversorgung starben, ermordet oder für medizinische Versuche missbraucht wurden. Mindestens 3000 Menschen aus Hamburg fielen bis Kriegsende der Euthanasie zum Opfer.

Die Ausstellung, die von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme konzipiert und gestaltet wurde, zeigt, dass die Täter nicht anonym waren, oft handelt es sich bei ihnen um bekannte Mediziner. Sie arbeiteten auch nicht im Verborgenen, sondern in Institutionen wie der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn oder den Alsterdorfer Anstalten. In der Nachkriegszeit wurden die Täter meistens nicht belangt, ihre Opfer erfuhren keine Wiedergutmachung und nicht einmal die Anerkennung ihrer Leiden. Die Schicksale, die die Ausstellung ins Gedächtnis ruft, machen sprachlos.

Auch Irma Sperling wurde als „schwachsinnig“ eingestuft. Den größten Teil seines kurzen Lebens verbrachte dieses Mädchen in den Alsterdorfer Anstalten. Man verlegte Irma Sperling schließlich nach Wien, wo sie am 8. Januar 1944 in der „Kinderfachabteilung Am Spiegelgrund“ im Alter von 13 Jahren ermordet wurde.

„Euthanasie“. Die Morde an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Hamburg im Nationalsozialismus. Hamburger Rathaus. 17.1. bis 7.2., Mo–Fr 9.00–18.00, Sa/So 10.00–13.00. Infos zum Begleitprogramm unter http://www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de