Bis Mittwoch müssen sich Afrikaner bei Behörden melden. Pastor befürchtet Abschiebung. Vergangenen Freitag hat die Polizei begonnen, die Identitäten der Afrikaner offensiv festzustellen.

Hamburg. Die Lage für die Flüchtlinge der sogenannten Lampedusa-Gruppe spitzt sich zu. Innensenator Michael Neumann (SPD) kündigte an: Bis Mittwoch sollen sich die Flüchtlinge mit ihren Anwälten bei den Behörden melden und einen Aufenthaltsantrag stellen. Es gibt drei Möglichkeiten: Asylantrag, Duldung oder ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. „Wer sich bis dahin nicht meldet, kann zur Fahndung ausgeschrieben werden“, erklärte der Innensenator. Ziel sei es, die rechtliche Situation der Flüchtlinge zu klären.

Vergangenen Freitag hat die Polizei begonnen, die Identitäten der Afrikaner offensiv festzustellen. Sie wurden überprüft und zur erkennungsdienstlichen Behandlung in Gewahrsam genommen. Sie wurden fotografiert, ihre Finderabdrücke genommen und ihre persönlichen Daten gespeichert. Damit hat die Auseinandersetzung zwischen Flüchtlingen, ihren Unterstützern und dem Senat weiter an Schärfe zugenommen. Andererseits haben die Überprüften jetzt eine Duldung bis zur Klärung ihres Aufenthaltsstatus und halten sich damit legal in Deutschland auf.

Wie viele Flüchtlinge der sogenannten Lampedusa-Gruppe in Hamburg leben, ist nicht genau bekannt. Es sollen etwa 300 sein, rund 80 von ihnen haben eine Bleibe in der St.-Pauli-Kirche gefunden. „Wir gewähren kein Kirchenasyl. Das ist ein Akt der humanitären Nothilfe“, sagt Pastor Sieghard Wilm.

Wilm ist froh, dass seine Gemeinde und viele Menschen auf St. Pauli sich um die Flüchtlinge kümmern. „Es ist erschreckend, dass der Senat dieses Engagement nicht würdigt“, sagt Wilm. Es sei eine menschliche Pflicht zu helfen, „egal in welchem rechtlichen Zustand sich jemand befindet“.

Es ist Sonntag, eigentlich wollte Wilm die Wäsche aufhängen. Doch die Hilfe für die Flüchtlinge nimmt so viel Zeit in Anspruch, dass er selbst dazu kaum kommt. „Die letzten Monate haben mich total verändert. Nichts ist so, wie es einmal war.“

Für Wilm ist die Situation in seiner Kirche stellvertretend für die gesamte Flüchtlingsproblematik in Europa. Hier stehe geltendes Recht gegen menschliche Schicksale. Der Senat setze auf Härte und nutze den vorhandenen Spielraum nicht aus. Dabei hätten bereits deutsche Gerichte die Rückführung der Fluchtlinge nach Italien aus humanitären Gründen abgelehnt. In Hamburg aber werde die Hilfe für die Flüchtlinge als Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und damit als Straftat gewertet.

Andreas ist einer der Flüchtlinge, die in der St. Pauli-Kirche Unterschlupf gefunden haben. Er sei 30 Jahre alt und gehöre einer ethnischen Minderheit im Norden Ghanas an, erzählt er. Zurück könne er nicht, weil er Gewalt fürchte. In seiner Heimat habe er Marketing studiert und für eine Versicherung gearbeitet. In Libyen habe er auf dem Bau geschuftet und Geld an seine Mutter in Ghana geschickt. Das könne er nun nicht mehr.

Andreas will in Hamburg arbeiten und ein selbstbestimmtes Leben führen. „Ich träume von einer eigenen Wohnung, einer Frau und vielen Kindern. In Italien sei er nicht gut behandlet worden, in Mailand habe er ein Zimmer mit 40 Männern teilen müssen, es habe kaum zu essen gegeben. „Wir waren Gefangene ohne Rechte“, sagt er. Italienische Beamte hätten ihm dann ein Touristenvisum und 500 Euro in die Hand gedrückt. „Ich sollte gehen.“

So wie ihm ist es den meisten Flüchtlingen der Lampedusa-Gruppe gegangen, sagt Pastor Wilm. Sie kämen aus den verschiedensten Ländern Afrikas, vorwiegend aus Ghana, Mali und der Elfenbeinküste. „Die meisten wollen hier arbeiten und in ihre Heimat zurückkehren, wenn die politische Lage es zulässt“, sagt der Pastor. „Viele dieser Menschen wollen einen Aufenthaltstitel und sind nicht einmal bereit, uns ihre Namen zu nennen“, sagt Innensenator Neumann. Das könne er nicht akzeptieren. Die Flüchtlinge müssten sich in das rechtsstaatliche Verfahren begeben, dann könne entschieden werden, welche Möglichkeiten des Aufenthalts infrage kämen. Neumann: „Wenn sie das machen, bekommen sie Unterkunft, Verpflegung und medizinische Hilfe.“ Nach Auskunft von Wilm hätten Anwälte aber davon abgeraten, weil sie unverzügliche Rückführung nach Italien befürchteten. „Ich bete jeden Abend dafür, dass die Lage nicht eskaliert“, sagt der Pastor.

Am Sonntag demonstrierten 21 Unterstützer der Lampedusa-Gruppe vor dem Rathausportal. Sie kündigten eine Großdemo für den 2. November an. Die Polizei ließ die Demonstranten gewähren, die sie hauptsächlich der autonomen Szene zuordneten.