20 Millionen Euro teure Sanierung des Gängeviertels beginnt in dieser Woche. Alle 13 Gebäude werden in den nächsten acht Jahren umgebaut.

Hamburg. Jetzt geht’s los: 2011 hatte der Hamburger Senat das Gängeviertel zum „Sanierungs- und Stadtumbaugebiet“ erklärt – nun beginnt die 20 Millionen Euro teure Baumaßnahme. Nach Angaben der Stadtentwicklungsgesellschaft (steg) starten in dieser Woche vorbereitende Arbeiten wie zum Beispiel die Sicherung der Baustelle. „Ich freue mich, dass die Sanierung des Gängeviertels beginnt und damit ein bedeutsames Stück unserer Stadtgeschichte erhalten bleibt“, sagte Mitte-Bezirksamtschef Andy Grote (SPD). „Es liegt aber viel Arbeit vor uns, um das Gängeviertel dauerhaft mit vielfältigen Nutzungen zu beleben.“

In der kommenden Woche rücken die ersten Handwerker an. Alle 13 Gebäude des historischen Gängeviertels werden in den nächsten acht Jahren von Grund auf saniert. Damit geht eine Auseinandersetzung zu Ende, zu der der gestoppte Verkauf des Quartiers an den niederländischen Investor Hanzevast genauso gehörte wie Hausbesetzungen und heftige Diskussionen. Entstehen soll nach dem Leitbild ein lebendiges Quartier mit günstigen Mieten sowie kulturellen und sozialen Schwerpunkten. „80 Prozent der sanierten Fläche wird dem Wohnen dienen“, sagte Hans Joachim Rösner, Geschäftsführender Gesellschafter der steg. Ingesamt entstehen 79 öffentlich geförderte Wohnungen (Sozialwohnungen) und 21 gewerbliche Einheiten.

Der Zeitplan sieht vor, dass die Sanierung zuerst im Gebäude Caffamacherreihe 43-49 beginnt. Im Frühjahr folgen das Haus mit der Nr. 37-39 sowie die „Fabrique“. Wo einst Gürtel und Schnallen hergestellt wurden, soll sich künftig der kulturelle Mittelpunkt des Quartiers befinden.

Im Gängeviertel herrscht derweil Aufbruchstimmung: Der erste Bauzaun steht am „Kupferdiebehaus“ an der Caffamacherreihe 43–49, die Gehwegplatten dahinter sind entfernt. Dort sind die Geschäfte leer. Der für die (Lebens-) Künstler so wichtige Kommunikations-Punkt, die Jupi-Bar, wird auch bald schließen. Es geht also wirklich los, und die Gerüste an den Fassaden, die noch aus der Zeit stammen, als der holländische Investor die Häuser zum größten Teil abreißen wollte, werden nun wirklich für Bauarbeiten genutzt werden.

In 26 Sitzungen hatten steg und Gängeviertel-Vertreter in der gemeinsamen Baukommission ausführlich über die dringend notwendige Sanierung debattiert. Am Ende mit Erfolg. „Es ist bislang einmalig, dass mit einer früheren Besetzer- und künftigen Nutzergruppe so intensiv über ein Bauprojekt gesprochen und Kompromisse gefunden wurden“, sagt Hans Joachim Rösner. Dabei war ein Mittelweg zwischen den finanziellen Möglichkeiten, funktionalen Ansprüchen und dem Denkmalschutz zu finden. „Denn wir haben nicht so viel Geld, um beispielsweise das letzte Detail bei den aufwendigen Holzeinfassungen in den Häusern optimal wieder herzustellen.“ Auch wurde die Version, die Balkone von der Straßenseite nach hinten zu verlegen, aus Kostengründen verworfen. Die Europäische Union fördert die Sanierung der „Fabrique“ aus dem EFRE-Programm mit 400.000 Euro. 15 Millionen Euro stammen vom Land, die restlichen fünf Millionen Euro wird die steg nach Angaben ihres Geschäftsführenden Gesellschafters auf dem Kapitalmarkt aufnehmen. Die eigenen Leistungen der Gängeviertel-Initiatoren lägen, so Rösner, in kleineren handwerklichen Arbeiten. Die baufunktional wichtigen Arbeiten würden selbstverständlich von Fachfirmen durchgeführt.

In den nächsten Tagen rücken erst einmal die Kampfmittelräumer an. Sie suchen routinemäßig nach Bomben gegenüber des U-Bahn-Ausgangs. „Mit den Bohrungen soll festgestellt werden, ob sich Kampfmittelreste aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden befinden“, sagt Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling.

Derweil präsentiert sich das Sanierungsquartier bunt. Der schönste Blick in die alten Gänge durch den Durchgang in die Schierspassage ist innen rosarot gestrichen. Und nicht „vertagt“, wie Sprecherin Ebeling sagt. Soll heißen: Die rosaroten Wände sind frei von Graffiti und den „Tags“ derer, die sich überall verewigen müssen. Das Gängeviertel freut sich über die schieren rosa Wände, denn Tags werden dort nicht gern gesehen. Neben der Schierspassage befindet sich jetzt im Valentinskamp „Das grüne Leuchten“, eine Art Gaststätte, winzig klein, die etwas herstellt, was den in der Regel lang schlafenden „Gängeviertlern“ immer wichtig ist: frischer Kaffee, den es – und das ist eigentlich eine Sensation! – schon morgens um 9 Uhr gibt. Gegen Spenden natürlich wird auch Cola, Bier, Sojamilch und Milch „von der Kuh“ angeboten. „Das grüne Leuchten“ übernimmt die Funktion der Jubi-Bar. Alle anderen Orte im Gängeviertel sind weiter belebt, werden von Touristen eifrig fotografiert. In der Galerie „linksrechts“ bereitet Patrick Giese eine Ausstellung vor, die „Studien über das menschliche Dasein“ in Zeichnungen, Malereien und Collagen zeigt. Das Menschliche funktioniert bestens im Gängeviertel: Acht Babys von Eltern, die sich im Gängeviertel kennenlernten, sind auf der Welt.