Grundeigentümer in St. Georg schließen sich zusammen, um kleine Läden und faire Mieten zu sichern: „Gewerbemix wichtiger als Gewinnmaximierung.“ Sie haben sich einiges vorgenommen.

Hamburg. Die Lange Reihe in St. Georg zieht immer mehr Filialisten an. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Viele Grundeigentümer der beliebten Straße haben einen „Letter of Intent“ unterzeichnet. In diesem heißt es unter anderem: „Wir haben ein Interesse an einer breit gestreuten und sich von anderen Einkaufsstraßen abhebenden Gewerbestruktur. Mit unserer Aktion sprechen wir uns gegen eine Verdrängung von kleinen inhabergeführten Ladengeschäften und explodierende Gewerbemieten aus.“

Die Straße war in die Schlagzeilen geraten, nachdem die Traditionsbuchhandlung Wohlers ihre Räume an der Langen Reihe 68/70 verlassen musste. Vermieter Frank Jendrusch hatte die Miete drastisch erhöht. Daraufhin folgten Demonstrationen und Proteste von Initiativen in dem Stadtteil. Inzwischen ist Buchhändler Jürgen Wohlers in den Eckladen an der Langen Reihe 38 eingezogen, in dem zuvor Sterneköchin Anna Sgroi Pastasaucen verkaufte. Der Eigentümer der neuen Bleibe ist Karl-Heinz Ramke, der einer der Immobilienkönige in dem Stadtteil ist.

Auch Karl-Heinz Ramke hat den „Letter of Intent“ unterschrieben und sagte dem Abendblatt: „Die Lange Reihe braucht einen gesunden Branchenmix. Was wir wollen, sind inhabergeführte Geschäfte und keine sich weiter ausbreitenden Ketten.“ Dem Grundeigentümer ist wichtig: „Die Einzigartigkeit der Langen Reihe kann nur erhalten bleiben, wenn wir die Auswahl von Gewerbemietern mit Bedacht und nach Möglichkeit ohne Konkurrenzangebote vor Ort wahrnehmen.“

Auch das städtische Wohnungsunternehmen Saga GWG hat die Selbstverpflichtung unterzeichnet. Für Vorstand Willy Hoppenstedt steht fest: „Der Zusammenschluss von unterschiedlichen Gewerbeanbietern am Standort Lange Reihe zeigt, dass das strategische Interesse, sich mit einem von herkömmlichen Einkaufsstraßen unterscheidenden Gewerbemix abzuheben und damit auch zu positionieren, größer ist als eine reine Gewinnmaximierung.“ Der gute Ruf des Quartiers und damit die nachhaltige Bewirtschaftung stünden im Vordergrund, sagt Hoppenstedt. Nachdem es im Zusammenhang mit dem Umzug der Buchhandlung Wohlers immer mehr Proteste gab, wurde auch der Bezirk Mitte aktiv. Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) lud Ende 2012 Immobilieneigentümer aus der Langen Reihe zu einem runden Tisch ein: „Ich freue mich sehr, dass die Vorschläge vom runden Tisch auf offene Ohren gestoßen sind. Die Erarbeitung des Letters of Intent zeigt mir, dass sie es ernst meinen“, sagt Andy Grote. Der Bezirk begrüße und unterstütze diese Aktivitäten ganz ausdrücklich, so Andy Grote.

Auch die FDP hatte sich eingebracht: „Die Lange Reihe lebt von ihrer Vielfalt. Hier muss es innovative Konzepte geben und nicht einen Filialisten neben dem anderen“, sagte Vizefraktionschefin Angela Westfehling dem Abendblatt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Grundeigentümer aber auch faire Mieten nehmen und nicht nur an eine Gewinnmaximierung denken, so Westfehling weiter. Viele der Gewerbeeinheiten an der Langen Reihe werden von Gastronomen genutzt. In den vergangenen Jahren haben zunehmend Filialisten an dieser begehrten Adresse aufgemacht, darunter Coffeeshops, Drogerien und Bäckereien.

Nicht nur an der Langen Reihe, sondern auch am nahen Hansaplatz schließen sich Grundeigentümer der Selbstverpflichtung an: „Unsere Baugenossenschaft engagiert sich seit Jahren für den Erhalt des bunten St. Georg. Die besondere Vielfalt der Einkaufsmöglichkeiten und die kleinen Dorfläden müssen erhalten bleiben, sagt Ingo Theel, Vorstand der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter.

Die Grundeigentümer an der Langen Reihe haben sich einiges vorgenommen: „Wir sind uns einig, dass die Vermietung an Gastronomie- und Einzelhandels-Filialisten nur im Ausnahmefall erfolgen soll.“ Vielmehr wollen die Unterzeichner sich künftig abstimmen und interessante Konzepte von Gastronomiebetrieben oder Läden für den Stadtteil gewinnen, heißt es in dem Letter of Intent weiter. Dann werden die Immobilienbesitzer noch deutlicher: „Mit unserer freiwilligen Selbstverpflichtung wollen wir unserer Verantwortung im Stadtteil gerecht werden und den öffentlichen Vorverurteilungen energisch entgegentreten, in denen wir mit angeblich unfairen Vertragsbedingungen pauschal in Zusammenhang gebracht wurden“, heißt es in dem Schreiben.

Nicht unterschrieben hat Frank Jendrusch: „Ich habe von diesem Letter of Intent keine Kenntnis und bin nicht von den Initiatoren angesprochen worden“, sagte Jendrusch dem Abendblatt.