Das Institut für Hygiene und Umwelt betreibt ein dichtes Netz an Luftmessstationen in der Stadt - eine davon in Wilhelmsburg.

Wilhelmsburg. Wie sauber ist die Luft in der Stadt? In manchen Straßenschluchten konzentrieren sich die Abgase der Autos und der Hausheizungen. So hatten Anfang April Anwohner der Max-Brauer-Allee in Altona und die Umweltorganisation BUND die Stadt verklagt, weil gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) die Grenzwerte übersteigen und damit gegen europäisches Recht verstoßen wird. Und der Hamburger Zukunftsrat wirft dem Senat vor, das Ziel des 2007 festgelegten Klimaschutzkonzepts für 2012 mit einer jährlichen Minderung von zwei Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid nicht eingehalten zu haben. 18,3 statt der angestrebten 16,7 Millionen Tonnen nennt der Zukunftsrat als aktuellen Wert.

Inzwischen begehren auch Bewohner Wilhelmsburgs zunehmend gegen die Luftbelastungen auf. Wegen des kürzlich angefangenen Probebetriebs des Kohlekraftwerks in Moorburg befürchten sie weitere Belastungen durch Verbrennungsrückstände in ihrem Stadtteil. Die Gruppe der "Engagierten Wilhelmsburger" war deswegen vergangene Woche zur Protestkundgebung mit Gasmasken auch auf die Straße gegangen. Sprecher Jochen Klein: "Die Wilhelmsburger Mitte ist schon jetzt ein Hotspot für Luftschadstoffe." Mit einer mobilen Messstation seien bereits 2006 in der Mengestraße NO2-Werte gemessen worden, die deutlich über dem EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm (Millionstel Gramm) pro Kubikmeter Luft gelegen hätten.

Auch vom Hafen zieht schadstoffbelastete Luft in den Stadtteil. Umweltkontrolleure der Hamburger Wasserschutzpolizei stellten im Juni auf einem italienischen Tankschiff fest, dass am Liegeplatz Rethe, beim Silobetrieb Kruse, die Schiffsmaschinen noch mit Schweröl statt mit Dieselkraftstoff betrieben worden waren und somit die Luft zusätzlich mit Schwefeldioxid belastetet wurde. Ende Mai war ein ähnlicher Fall bei einem unter der Flagge Panamas fahrenden Schiff am Liegeplatz im Neuhöfer Kanal von den Beamten festgestellt worden. Hinweis der Polizei: Seit Anfang 2010 dürfen Schiffe in europäischen Häfen, die länger als zwei Stunden am Liegeplatz festgemacht haben, keine Kraftstoffe mit einem Schwefelgehalt von mehr als 0,1 Prozent verwenden.

Unsere Luft besteht zu 78 Prozent aus Stickstoff und zu 21 Prozent aus dem lebensnotwendigen Sauerstoff. Der Rest sind Kohlenstoffdioxid und Edelgase. Luft belastend wirken sich auch Feinstäube aus, die beispielsweise aus Schornsteinen gen Himmel steigen, oder von Fahrzeugbremsen oder dem Abrieb des Straßenbelags. Es komme auf eine chemische und wirkungsbezogene Differenzierung der Feinstaubbelastungen an, hatten Wissenschaftler kürzlich bei einer Fachtagung festgestellt, bei der es um die Frage ging, ob die Einrichtung von Umweltzonen in Städten ausreichend sei. In Hamburg gibt es noch keine Umweltzonen.

Hamburg hat schon früh mit Luftmessungen angefangen, ursprünglich angesiedelt bei der Anstalt für Hygiene, heute bei der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Institut für Hygiene und Umwelt. Gearbeitet wird auch im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Dr. Thomas Reich, 62, ist bereits seit 1982 mit der Luftmessung in Hamburg befasst. Er hat das heute aus 18 Messstationen bestehende Hamburger Luftmessnetz (HaLm) mit aufgebaut. In Wilhelmsburg steht seit April 2000 eine sogenannte Hintergrundmessstation in der Parkanlage am Rotenhäuser Damm. Der Messcontainer ist eingezäunt, hat seltsam anmutende Geräte auf dem Dach. Was wird da gemessen? "In diesem Container wird kontinuierlich Außenluft angesaugt und analysiert", erklärt Reich. Feinstaub wird physikalisch gemessen, in zwei Abstufungen: 2,5 und 10 Mikrometer. Dabei handelt es sich um Partikel im Tausendstel Millimeterbereich. "Es gibt immer etwas zu messen", erklärt Reich. Staubpartikel entstehen seinen Worten nach auch aus Gasen in der Atmosphäre. Im Aerosol sind sogar Salze aus der Nordsee nachzuweisen, Staub aus der Sahara oder auch Partikel, die von Waldbränden in der Ukraine herrührten. Zwei Drittel der gemessenen Belastungen kommen aus der Region. Ein Drittel der Staubmasse ist sogenanntes Sekundär-Aerosol aus weiterer Entfernung. Wilhelmsburg hatte 2011 im Jahresmittel an Stickstoffdioxid 28 Mikrogramm (Grenzwert 40) und an Feinstaub 17 PM (Particulate Matter/Grenzwert ebenfalls 40 Mikrogramm)

Im Mai hatte Reich in Harburg im Ausschuss für Wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz über Messdaten zu Stickstoffdioxid berichtet, die 2010 an der Station Heimfeld festgestellt wurden. Damit liegt auch Harburg mit 27 Mikrogramm NO2 sowie 21 PM deutlich im grünen Bereich. In Neugraben, am Stadtrand, befindet sich eine Messstation für Ozon (O3), das insbesondere im Hochsommer durch Kohlenwasserstoffe, Stickoxide sowie Sonnenlicht und hohe Temperaturen entsteht. Ozon ist ein Reizgas für Atemwege. Gemessen wird absichtlich am Stadtrand, weil dort wegen nicht vorhandener anderer Schadstoffe weniger Ozon abgebaut wird. Bei der Auswertung 2011 lag Neugraben mit maximal 150 insgesamt 13 Mal über dem Grenzwert von 140 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Volker Dumann, Sprecher der Hamburger Umweltbehörde: "Hamburg hat, und das betrifft nur wenige unserer Stadtgebiete, nicht allein ein Problem mit der Überschreitung einzelner EU-Grenzwerte. In Deutschland sind mehr als 30 Städte betroffen. Der Hamburger Senat hat einen 80 Punkteplan für Verbesserungen. Das verlangt von uns allen aber auch Änderungen in unseren Gewohnheiten. Mehr öffentliche Verkehrsmittel benutzen, mit dem Fahrrad fahren oder auf ein Elektroauto umsteigen. Die Handwerkskammer unterstützt 1000 Handwerksbetriebe dabei, für Fahrten in der Stadt Elektroautos einzusetzen."

Dumann erklärt, dass alle Daten der 18 Hamburger Messstationen ans Umweltbundesamt gesendet werden und von dort an die EU. Wer im Internet nachschauen will, findet unter www.hamburger-luft.de viele Erklärungen und Ergebnisse. Aber: Seit Ende Juni werden keine aktuellen Daten mehr angezeigt, weil - so die Erklärung - die Verwaltung aus Gründen der Einsparung die Kommunikationsleitung vom Luftmessnetz zum Internetserver gekündigt hat.