Das Traditionsgeschäft Eggers schließt wegen einer Dauerbaustelle. Auch andere Geschäftsleute am Großen Burstah besorgt. „Die Situation ist für die Einzelhändler existenzvernichtend.“

Hamburg. Werner Schlüter mag nicht mehr kämpfen. Mehrere Jahrzehnte lang hat der Mann mit den freundlichen Augen und dem kräftigen Händedruck Mode in der Innenstadt verkauft. Auch jetzt hängen in seinem Laden am Großen Burstah farbenfrohe Blusen in Grün und Pink oder bequeme Hosen in schlichtem Beige - die aktuelle Frühjahrskollektion für Damen in etwas reiferem Alter.

Nur Kundinnen kommen mittlerweile kaum noch im traditionsreichen Modehaus Eggers vorbei. Der Große Burstah zwischen Rathaus und Rödingsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren nämlich in eine gigantische Dauerbaustelle verwandelt. Was langfristig zu einer Aufwertung des in Vergessenheit geratenen Quartiers führen dürfte, vertreibt derzeit die Laufkundschaft, die früher von der Mönckebergstraße weiter nach Westen strömte. "Die Situation ist für die Einzelhändler existenzvernichtend", klagt Schlüter. Ende Juli will er sein Geschäft schließen. Es ist das Ende einer 66-jährigen Tradition an diesem Standort.

Schlüters Hauptproblem ist die große Baustelle direkt gegenüber seinem Modehaus. Wo früher Mitarbeiter der Deutschen Bank ihre Büros hatten, klafft heute eine riesige Lücke, in der sich große Kräne drehen und Lastwagen tonnenweise Bauschutt abtransportieren. Die Frankonia Eurobau investiert hier rund 100 Millionen Euro in einen Gebäudekomplex mit 24 Loftwohnungen, Büros und neuen, zusätzlichen Ladeflächen.

Schlüters zweites Problem ist das gigantische, zwölfgeschossige Gebäude der Allianz wenige Meter entfernt, das seit dem Umzug der Versicherung in die City Nord seit Ende des vergangenen Jahres leer steht. Das Haus soll ebenfalls abgerissen und durch eine Mischung aus Wohnungen, Büros und Läden ersetzt werden. Der Eigentümer, die IVG Immobilien AG, will damit Ende dieses oder Anfang des kommenden Jahres beginnen.

"Auf Dauer werden die beiden Projekte sicher zu einer größeren Attraktivität des Großen Burstahs beitragen", sagt Schlüter. "Doch im Augenblick wirkt die Straße von der Innenstadt aus gesehen einfach wie ein großes schwarzes Loch, in das sich kaum ein Passant noch hineintraut."

Das Dilemma des Geschäftsmanns: Er wartet schlicht schon zu lange darauf, dass sich die Situation in der einst beliebten Einkaufsstraße ändert, und hat keine finanziellen Ressourcen mehr, um eine weitere Durststrecke zu überstehen. Schon 1984 übernahm Schlüter das Modehaus Eggers, das sich bereits 1947 am Großen Burstah angesiedelt hatte. Bis weit in die 90er-Jahre hinein liefen die Geschäfte gut, doch dann begann der Abstieg der Straße.

Das jetzt abgerissene Gebäude der Deutschen Bank stand über Jahre hinweg leer, Frequenzbringer wie Görtz verließen die Straße, zuletzt strich die Buchhandelskette Heymann die Segel und schloss aus Frust über die schwierige Lage ein Geschäft an dem Standort.

Auch andere Händler sind über die Situation alles andere als glücklich. "Wir freuen uns zwar darüber, dass sich am Großen Burstah nun endlich etwas tut, aber die jetzige Lage ist katastrophal", sagt Christine Langer, Filialleiterin von Schütt Optik. Durch die Baustelle seien die Laufkunden deutlich weniger geworden. Im Gegensatz zu Nachbar Schlüter hat sie die Hoffnung auf eine Verbesserung noch nicht aufgegeben. Erst vor zwei Jahren wurde das Fachgeschäft aufwendig renoviert.

Der Outdoorspezialist Mammut ist Ende vergangenen Jahres sogar ganz bewusst mit seinem ersten Hamburger Markenshop an den Großen Burstah gezogen. "Wir wussten, dass die erste Zeit an diesem Standort nicht einfach wird, sehen dies aber als langfristiges Projekt", sagt Filialleiter Felice Garraffo. Bislang sei man mit dem Absatz von Rucksäcken, wetterfesten Jacken und Wanderstiefeln zufrieden. Eine schnellere Veränderung würde aber auch er sich wünschen.

Eigentlich hätte der Große Burstah als Teil des Nikolai-Quartiers im Schatten des Rathauses auch schon längst als sogenannter Business Improvement District (BID) ausgewiesen werden sollen. Doch die Initiative, die auch eine Neugestaltung der Großen Johannisstraße und des Adolphsplatzes, sowie gemeinsame Marketingmaßnahmen vorsieht, ist ebenfalls ins Stocken geraten. Hintergrund sind nach Angaben der Handelskammer eine fehlende Gesetzesänderung für die Ausweisung von BIDs sowie schleppende Verhandlungen mit den Grundeigentümern im Quartier, die die geplanten Maßnahmen finanzieren müssen.