Vattenfall baut Müllverbrennungsanlage um. Projekt in Billbrook ist Teil des umstrittenen Teilrückkaufs der Energienetze durch Senat.

Hamburg. Es kommt nicht oft vor, dass ein Bürgermeister eine Müllverbrennungsanlage besucht. Als Olaf Scholz (SPD) gestern das Vattenfall-Werk an der Borsigstraße betrat, wollte er damit die Richtigkeit seiner Politik unterstreichen.

Der schwedische Energiekonzern hat dort gerade sein sogenanntes Biomasseheizkraftwerk so umgebaut, dass nicht mehr nur Strom, sondern jetzt auch Fernwärme produziert werden kann. Die Anlage stehe für "die Art und Weise, wie man Energie herstellt, indem einem Gutes und Kluges einfällt", sagte Olaf Scholz zur Eröffnung. Große Worte, die vor dem Hintergrund verständlich werden, dass die Fernwärmeproduktion in Billbrook Teil des umstrittenen Teilrückkaufs der Energienetze durch den Senat ist.

Bei dem Projekt handelt es sich um ein vergleichsweise kleines. Mit der Abwärme, die bei der Stromerzeugung entsteht, können 15.000 Wohnungen geheizt werden. Zum Vergleich: Bislang gibt es 444.000 Fernwärmekunden in Hamburg. Drei Millionen Euro hat Vattenfall in die Anlage investiert, die seit 2005 besteht. Diese Art der Fernwärmegewinnung erspart laut Vattenfall den Ausstoß von 26.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr. So viel würde nämlich bei der herkömmlichen Herstellung entstehen. Denn eigentlich wird in dem kleinen Kraftwerk Strom aus Biomasse produziert, 20 Megawatt im Jahr. Dabei ist auch das Wort Biomasse leicht irreführend. Vielmehr verbrennt Vattenfall dort Holzhackschnitzel, welche aus ausgedienten Dachstühlen, Fenstern, Türen sowie aus sortiertem Sperrmüll hergestellt werden.

Auch für Scholz ist dieses Fernwärmevorhaben ein kleines Projekt, dem aber "große folgen werden". In Wedel soll spätestens 2017 ein neues Gas- und Dampfturbinenheizkraftwerk ans Netz gehen. Es soll das bisherige Kraftwerk aus den 1950er-Jahren ersetzen. Zunächst war Stellingen als Standort im Netzedeal vorgesehen. Doch dieser Stadtteil erwies sich als zu teuer. Da Wedel bereits als Kraftwerksstandort erschlossen sei, könne dort um nahezu 100 Millionen Euro günstiger gebaut werden, ließ Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) wissen. Insgesamt soll der Bau höchstens 500 Millionen Euro kosten, eine Leistung von 470 Megawatt haben und für rund 180.000 Haushalte Fernwärme produzieren.

Diesen Teil des Netzerückkaufs bezeichnet der Senat als Energiewende. Denn der Vertrag mit den Energiekonzernen sieht vor, dass diese 1,6 Milliarden Euro in Kraftwerke, die weniger Kohlendioxid produzieren, sowie in den Ausbau der Energienetze für Fernwärme, Gas und Strom investieren. Der Preis für 25,1 Prozent dieser Netze betrug 543,5 Millionen Euro. Im Gegenzug verpflichteten sich Vattenfall und E.on, der Stadt eine Dividende von 4,5 Prozent auf das Geld zu zahlen. Damit soll der Kredit finanziert werden. Gegner der Einigung kritisieren fehlende Transparenz beim Zustandekommen des Deals sowie einen zu hohen Preis bei zu geringer Gegenleistung.

Ausgangspunkt dafür war 2010 die Volksinitiative "Unser Hamburg, unser Netz", die den Rückkauf von 100 Prozent der Energienetze fordert. Im Juni vergangenen Jahres legte sie für das Volksbegehren deutlich mehr Unterschriften vor als nötig. Die Initiative hat den Volksentscheid angemeldet, da der Senat das Volksbegehren nicht angenommen hat. Er findet parallel zur Bundestagswahl in einem Jahr statt. Spricht sich eine Mehrheit der Hamburger Wähler für den kompletten Rückkauf der Netze aus, wären alle Verträge der Stadt mit den Konzernen hinfällig.

Darüber sprach Bürgermeister Scholz gestern nicht. Stattdessen lobte er die neue Fernwärmeanlage in Billbrook: "Hamburg unterstreicht seinen guten Ruf, was die Entwicklung technischer Umweltschutzmaßnahmen und moderner Energienutzung angeht." Und der Hamburger Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth ergänzte: "Nur wenn es uns gelingt, das Maximum an Brennstoffen herauszuholen, werden wir bei der Energiewende erfolgreich sein."