Der Pfleger des Marienkrankenhauses steht jetzt vor Gericht. Sein mutmaßliches Opfer ließ sich aus Angst nicht mehr von Ärzten behandeln.

Hamburg. Viereinhalb Jahre liegt die angeklagte Tat zurück. Viereinhalb Jahre, die für das Opfer zermürbend waren und ihre Spuren hinterließen. Manuela B., 49, lässt sich aus Angst nicht mehr von Ärzten behandeln, ihre Ehe zerbrach. Seither plagt sie das schlimme Gefühl, mit der Sache nicht abschließen zu können. Wie auch? Ihren mutmaßlichen Peiniger Stefan B. sieht sie gestern nun schon zum zweiten Mal vor Gericht, und entschieden ist rein gar nichts. "Ihr Leben hat sich im Ganzen verändert", sagt ihre Tochter. "Und das nicht zum Positiven."

Manuela B. ist Zeugin und Nebenklägerin, so wie schon in der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht St. Georg im April 2011. Und so wie damals schweigt der Angeklagte, Krankenpfleger Stefan B., zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Der 37-Jährige soll sie im Marienkrankenhaus betäubt und sich an ihr vergangen haben, als sie wehrlos im Krankenbett lag. Am Nachmittag des 28. Januar 2008 soll er mit einer Spritze ein valiumähnliches Medikament in ihren Tropf injiziert haben. Nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte, so die Anklage, soll er zum Ende seiner Dienstschicht ihre Brüste mit Eukalyptusöl eingerieben haben. Zunächst hatte im April 2011 das Amtsgericht St. Georg in der Sache verhandelt. Es sah recht gut aus für Stefan B., damals vertreten von Kachelmann-Verteidiger Johann Schwenn.

Doch dann sagten zwei Gutachter aus: Auf dem Nachthemd des Opfers seien Spermaspuren gefunden worden, die vom Angeklagten stammen. Eine Haftstrafe von vier Jahren und drei Monaten hielt das Amtsgericht damals für angemessen. Stefan B. sei zwar nicht vorbestraft, so die Begründung. Allerdings sei das Erlebte ein Albtraum für die Nebenklägerin, zudem habe er den Ruf des Marienkrankenhauses und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institution Krankenhaus als Schutzraum massiv geschädigt. Weil für eine Sanktion in dieser Höhe die Strafgewalt des Schöffengerichts nicht ausreicht, verwies es den Fall an die nächsthöhere Instanz. Nun also das Landgericht.

Zum zweiten Mal sitzt Manuela B. ihrem mutmaßlichen Peiniger gegenüber, der jetzt einen neuen Verteidiger hat. Um ihre Intim- und Privatsphäre zu schützen, will sie nur hinter verschlossenen Türen aussagen. Sie sei wieder verheiratet, glücklich, wie ihre als Zeugin geladene Tochter, 28, betont. Monatelang habe sie die Tat belastet - dann sei es ihr und ihrer Schwester gelungen, ihre Mutter von einer Anzeige gegen Stefan B. zu überzeugen.

Ihre Mutter sei im Januar 2008 mit Verdacht auf Morbus Crohn ins Krankenhaus gegangen. An dem Tag, als es passiert war, "war sie ganz komisch und erzählte, dass sie angefasst worden ist und ihr ganzer Oberkörper nach Eukalyptus riecht". Sie habe den Geruch ebenfalls wahrgenommen.

Zunächst habe Manuela B. geglaubt, sie habe nur geträumt. Peu à peu seien die Erinnerungen aber wieder zurückgekommen. Wie Stefan B. mit einer Spritze eine Flüssigkeit in den Tropf injizierte, wie jemand im Dämmerzustand ihre Brüste massierte und ihr ins Ohr flüsterte: "Du bist so geil." Als Stefan B. ins Zimmer gekommen war, mimte er den Ahnungslosen. "Frau B., was ist denn passiert?", habe er gefragt. "In diesem Moment", so die Zeugin, "erstarrte meine Mutter, da wusste ich: Er war es."

Sollte Stefan B. verurteilt werden, wird das Gericht die lange Verfahrensdauer zu seinen Gunsten berücksichtigen müssen. Einen Bonus für das lange Ausharren gibt es für Manuela B. nicht.