57-Jährigem wird vorgeworfen, den Juristen in einem früheren Drogenprozess beschimpft und angegriffen zu haben. Er streitet dies ab.

St. Georg. Zwei Justiz- und zwei Polizeibeamte sitzen im Gerichtssaal hinter dem hageren Mann mit der getönten Brille. Zur Sicherheit. Denn vor Gericht soll Karl-Heinz S. schon einmal komplett die Nerven verloren haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 57-Jährigen nicht weniger als einen Frontalangriff auf die Justiz vor, angeklagt hat sie Karl-Heinz S. wegen Beleidigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. In einem ersten Verfahren, in dem er sich vor dem Amtsgericht St. Georg wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verantworten sollte, weil er zu Hause angeblich ein Gramm Marihuana hortete, soll der 57-Jährige den Vorsitzenden Richter als "Idioten", "Penner" und "Spinner" bepöbelt und mit zwei Stühlen beworfen haben. Richter Klaus W. konnte einem Geschoss ausweichen und einen zweiten Stuhl mit dem Fuß abwehren. Gestern äußerte sich Karl-Heinz S. zu dem Vorfall - von Einsicht oder Reue keine Spur. Im Gegenteil: Karl-Heinz S., der nach eigenen Angaben zu "70 Prozent schwerbehindert" ist unter einer "emotionalen, instabilen Persönlichkeitsstörung" leidet, streitet die Tat ab.

Mit dem Richter war Karl-Heinz S. offenbar schon zuvor mehrfach aneinandergeraten. Er sei ihm gegenüber voreingenommen gewesen, sagt der Angeklagte.

An der Hauptverhandlung am 3. November 2011 hätte er gar nicht teilnehmen dürfen. Er leide unter einem Defekt der Bandscheibe und habe an jenem Tag irrsinnige Schmerzen gehabt. Doch Richter Klaus W. habe damals sein ärztliches Attest gar nicht sehen wollen. "Er sagte: Die Verhandlung stehen Sie jetzt durch." Als er der Schriftführerin das Dokument geben wollte, habe er auf dem Weg dorthin einen heftigen Schmerz im linken Bein und im Rücken verspürt. "Ich bin sofort zu Boden gegangen und bat um einen Rettungswagen", sagt der Angeklagte. Doch der Richter habe brüsk reagiert mit den Worten: "Hören Sie auf zu spinnen, setzen Sie sich." Möglicherweise habe er vor lauter Schmerzen auch gegen einen Stuhl getreten, "aber es ist kein Stuhl in Richtung des Richters geflogen." Ob er den Vorsitzenden beleidigt habe? Karl-Heinz S.: "Daran kann ich mich nicht erinnern." Eine halbe Stunde habe er so dagelegen, bevor ärztliche Hilfe eingetroffen sei. Nach dem Vorfall hatte der 57-Jährige den Richter wegen "unterlassener Hilfeleistung" angezeigt. Das Verfahren hat die Staatsanwaltschaft indes eingestellt. Ganz anders als Karl-Heinz S. hat die Situation ein als Zeuge geladener Bekannter wahrgenommen: "Ich sah Herrn S. auf dem Boden liegen. Er hat rumgebrüllt und mit einem Handy nach dem Richter geworfen." Die Richterin im aktuellen Fall: "Wie hat Herr S. auf Sie gewirkt?" Der Zeuge: "Es sah sehr gespielt aus, nicht echt. Es war einfach lächerlich." Am Montag soll der Richter aussagen.