Im Beruf verfolgt Sandra Lohfeldt Straftäter. Als Autorin mit dem Pseudonym Sandra Gladow schreibt sie in ihrer Freizeit Krimis.

Hamburg. Im Dienst ist sie Sandra Lohfeldt, 41, und bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, Hauptabteilung IV, mit der juristischen Aufarbeitung von Jugend- und Heranwachsenden-Strafsachen beschäftigt. Auf einer halben Stelle, denn die Mutter von zwei Kindern geht in ihrer Freizeit einer ganz anderen Leidenschaft nach: Als Krimi-Autorin mit dem Pseudonym Sandra Gladow lässt sie stehlen, morden und ihre literarische Kollegin Anna Lorenz nach der Wahrheit suchen.

In Lübeck, sicherheitshalber. "Das hat Vorteile: Die kleinstädtische Atmosphäre ist sehr ergiebig, wenn dort das Böse einbricht." Klassische Regionalkrimis, wo man sich mit dem akribischen Beschreiben von Straßenecken aufhält, sind das nicht. "Aber", sagt sie, "ich entkomme so wenigstens ein bisschen dem Generalverdacht der Kollegen in Hamburg, die meinen, dass ich alles, was ich im Dienst erlebe, in meine Bücher packe. Die sind jetzt alle sehr freundlich zu mir." Pause. Dann prustet sie los: "Neiiiiin! War nur 'n Scherz."

Sie schätzt ihre Kollegen nämlich sehr: "Wir arbeiten - vielleicht auch, weil die Materie so grimmig ist - in einem so freundlichen Umfeld, einem so netten Miteinander." Auf ihre Lesung in der Grundbuchhalle des Ziviljustizgebäudes freut sie sich besonders (am 5. April um 19 Uhr; alle Termine unter www.sandragladow.de ). "Da werden einige schon aus Neugier kommen, die mich sonst vor Gericht kennen und schauen: Wie schlägt sie sich denn da?"

Sandra Lohfeldt, gebürtige Hamburgerin, die hier auch studiert und ihre juristische Ausbildung absolviert hat, ist im Gespräch locker, spricht in schnellem Plauderton. Schreiben? "Wollte ich immer." Sie hat früh damit angefangen - kleine Texte, Reden für Familienfeiern, mit ermutigender Resonanz. Ihr Ziel: "Juristin mit Journalistin im Hinterkopf - eigentlich wollte ich Ihren Job!"

Nach Referendariat und zweitem Staatsexamen geht sie in eine Großkanzlei, dann zur Staatsanwaltschaft. Und bleibt da, weil es sich so gradlinig gefügt hat. Aber wenn's jemanden zum Schreiben drängt, verschwindet das nicht. So entwirft sie das Konzept füreine TV-Justizshow. Es erregt Aufmerksamkeit, sogar eine Pilotsendung produziert man, dann ist Schluss. Die Erfahrungen in der Fernsehwelt werden zur Grundlage ihres ersten Romans: "Ein klassischer Frauenroman, für die Badewanne geschrieben." Er wird 2003 gedruckt, es geht. Dann hat sie die Idee zum ersten Krimi - "Eiswind". Mit der Staatsanwältin Anna Lorenz als mutiger Protagonistin, die gern den Schreibtisch verlässt und vor Ort recherchiert. "Das kann ich lebensecht darstellen."

Geschrieben hat sie "Eiswind" und ihr neues Buch "Gewitterstille" in den Elternzeiten, wenn die Kinder im Kindergarten waren, oft abends, im Urlaub oder wenigstens einen Tag am Wochenende. "Ich habe einen sehr toleranten Mann, der das unterstützt." Der heißt Kai, ist ein Wirtschaftsinformatiker und passt dann auf Jan-Eric, 5, und Martha, 2, auf. Das Schreiben geht ihr relativ leicht von der Hand, denn sie hat die Szenen dann schon länger mit sich herumgetragen, "beim Hausputz, beim Bügeln, im Auto".

Auf den Einbänden ihrer Bücher steht Sandra Gladow, ihr Mädchenname. "Das ist doch ganz schön, weil man so die Autorin unterscheidet von der Staatsanwältin." Sie holt ein bisschen weiter aus: "Ich bin eineiiger Zwilling, daran gewöhnt, eine andere Variante meiner Persönlichkeit neben mir zu wissen. Meine Schwester und ich, wir sehen uns extrem ähnlich. Und wenn jemand so ähnlich aussieht und exakt die gleichen Anlagen hat, versucht man bewusst, sich auseinanderzuentwickeln, etwas Unverwechselbares zu tun."

Ein anderes Motiv der Autorin: Sie kann es nicht ausstehen, wenn in Krimis die Charaktere nur schwarz-weiß gezeichnet sind. "Das ist so flach, so vorhersehbar." Auch in "Gewitterstille" liegt falsch, wer dem ersten Anschein glaubt und einen labilen Jugendlichen als Täter sieht, der Anna Lorenz' alte Nachbarin getötet haben soll. Die menschliche Psyche, das erlebt sie im Berufsalltag, ist weitaus komplexer.

Im Alltag hat es Sandra Lohfeldt derzeit nicht mit Mord und Totschlag zu tun. Da geht es um Bagatelldelikte, Schwarzfahren, kleine Urkundenfälschungen, gefährliche Körperverletzung und Betrug. Hat sie da Erfolgserlebnisse, oder wird man als Strafverfolger irgendwann melancholisch? "Ich glaube, man darf den Beruf nicht ausüben mit dem Anspruch, die Welt zu retten. Dann scheitert man - als Jurist, als Lehrer, als Journalist. Wir machen täglich einen vernünftigen und verantwortungsvollen Job."

Sie sieht oft aber auch: "Wenn wir gefragt sind, ist es oft schon zu spät. Da gibt es Kandidaten, wo man nicht den Eindruck hat, dass man noch irgendwas erreichen kann." Wer weniger Straftaten unter Jugendlichen haben möchte, müsse woanders ansetzen - im Kindergarten, in den Familien. "Im Grunde ist es ganz einfach: Wir brauchen mehr Liebe für Kinder, sie müssen behütet aufwachsen, ohne Angst, nicht an ihrer Seele verwundet. Eine Wahrheit aus dem Berufsalltag verarbeite ich immer: Dass jeder, der Täter ist, in aller Regel auch mal Opfer war."

Wird Sandra Lohfeldt nun auch in ihrer Rolle als Sandra Gladow zurSerientäterin? "Das hoffe ich", sagt sie. "Der zweite Band kommt gut an. Und Ideen hab ich mehr als genug."