Es scheint so, als hätten die Menschen in Hamburg auf einen solchen Hort bayerischer Gemütlichkeit mitten in der Hansestadt nur gewartet.

Hamburg. Der Himmel weißblau, das Hofbräu goldgelb, die Haxen kross und die Gäste, die sind da. Frank Blin, 45, hat offenbar alles richtig gemacht. Er lässt den Blick über seinen neuen Biergarten am Speersort wandern, wobei seine Augen listig blitzen. Denn gut 600 der rund 700 Außenplätze sind bereits jetzt um 13 Uhr besetzt; dann flaut es wieder etwas ab, bevor um 14 Uhr, wegen der zweiten Mittagspausenwelle erneut Großalarm herrscht.

Es scheint, als hätten die Hamburger auf einen solchen Hort bayerischer Gemütlichkeit mitten in Hamburg nur gewartet. Nun muss niemand mehr wegen ein paar Schmankerln oder einer Maß nach München fahren - und einer verwaisten gastronomischen Ecke der Hansestadt wird zudem wieder urbanes Leben eingeschenkt.

Allein rund 40 Servicekräfte schuften hier pro Schicht, zünftig, in fescher Tracht. Die Dirndl und Lederhosen werden gestellt. Es braucht keine hochsommerlichen Temperaturen, um ins Schwitzen zu geraten, denn mittags soll es ja vor allem schnell gehen, obwohl auch die Wege von der Essen- und Getränkeausgabe bis zu 50 Meter betragen können, je nach Tischgruppe. Maximal elf Minuten, das ist der Plan, soll ein Gast höchstens auf sein Essen warten müssen. Das Bier (und alle anderen Getränke natürlich auch) sollen in nicht mal fünf Minuten serviert werden. "Ich schätze, dass ich heute zwischen fünf und sechs Kilometern abreißen werde", sagt Petra Karping, 28, mit einem skeptischen Blick in den herrlichen Frühlingshimmel - und bei der freitäglichen Abendschicht dürften dann wohl noch ein paar Extrarunden auf sie warten. "Dafür sind aber auch die Trinkgelder passabel", weiß Zapfer Jochen Mühle, 52, denn die faire Preisgestaltung (eine Maß kostet 7,20 Euro, im Stammhaus in München 7,30 Euro) verführe zum "tippen".

+++ Eis, Kaffee und Grillen: Frühling in der Stadt +++

Fürs jüngste seiner vier Hamburger Hofbräuhäuser (am Berliner Alexanderplatz steht ein weiteres) hat Blin mehrere Dutzend neuer Servicekräfte gecastet, zusätzlich zum bewährten Personal, das er aus seinen anderen Häusern je nach Bedarf - das heißt nach Wetterlage - abzieht. "Zwölf Maßkrüge auf einmal schleppen zu können, das war nicht unbedingt das Kriterium", lächelt Dörte Pohl, 27. "Entscheidend ist, dass man bereit sein muss, flexibel zu sein - je nach Wetterlage." Mit ausschlaggebend, was zumindest die Kellnerinnen betrifft, ist jedoch auch das formvollendete Dekolleté, "aber das ist keineswegs sexistisch, sondern rein professionell zu betrachten, nicht wahr", meint der Chef arglos, "viele unserer Gäste erwarten nun mal eine gewisse Offenherzigkeit." Dabei denkt er vor allem an die Sommertouristen.

Gegen das vereinzelte, berüchtigte Tatschen, helfe ein bewährtes Hausmittel: "Wenn ein Gast die Grenze überschreitet, bringe ich ihm selbstverständlich ein weiteres Bier", sagt Petra Karping. "Aber das kriegt er dann nicht auf den Tisch, sondern über den Kopf."