Musiker Jochen Wiegandt sucht mit NDR 90,3, dem “Hamburg Journal“ und dem Abendblatt unbekannte Strophen und Reime. Schicken Sie uns ihre Ideen.

Hamburg. Manchmal kommen die älteren Herrschaften nach seinen Konzerten zu Jochen Wiegandt und schnacken noch ein bisschen mit dem Hamburger Volkssänger. Und dann erfahren sie staunend, dass der Musiker auch ein Liedersammler ist. Mit Interesse an alten Melodien und Texten. An unbekannten Strophen und Reimen, an musikalischen Geschichten und Anekdoten. "Ach, so was suchen Sie?", wundern sich die Besucher. "Das ist doch kulturell gar nicht wertvoll. Das hat mir doch immer nur die Oma vorgesungen."

Genau das aber sucht Jochen Wiegandt - zusammen mit dem NDR 90,3, dem "Hamburg Journal" und dem Abendblatt. Er will an das Liedgedächtnis der Hamburger ran, tief in musikalischen Erinnerungen kramen. So wie vor Jahren bei einem 80-jährigen Konzertbesucher. Einem Zimmermanns, der bei seinem Großvater aufgewachsen war. "Dieser war ebenfalls Zimmermann und im 19. Jahrhundert auf Wanderschaft. Und die Wanderlieder hatte er seinem Enkel ständig vorgesungen", sagt Jochen Wiegandt. "Mein Konzertgast wusste gar nicht, was er damit für einen musikalischen Schatz in seinem Kopf hatte."

120 Lieder haben Wiegandt und der Zimmermann ausgegraben. "Hoch lebe der Mann mit dem Hut" hieß folgerichtig auch ein Titel auf der LP von "Liederjan". Fünf Jahre lang war Wiegandt Mitglied dieses Folk-Trios, das bei seinen Auftritten in den 70er-Jahren mühelos die Fabrik in Altona füllte.

Wenn die Leute über Hamburg-Lieder befragt werden, kommen die Antworten meist reflexartig. "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" und "Hammonia" fällt ihnen ein. "In Hamburg sagt man tschüs" und natürlich "Der Jung mit'n Tüddelband". Und seit einigen Jahren auch "Hamburg, meine Perle", Lotto King Karls bekannte Hymne.

Jochen Wiegandt geht es jetzt um Perlen, die erst noch entdeckt werden wollen. Wer wäre dafür geeigneter als der fröhliche Mann mit Brille und Gitarre, der seit 30 Jahren mit Jung und Alt singt. Gerade war er wieder in Asien, hat vor deutschem Publikum sein Programm mit nord- und plattdeutschen Liedern und Döntjes präsentiert. Dabei greift er auch oft zur Hamburger Waldzither. Dabei handelt es sich um ein akkordisch gestimmtes, in C-Dur gespieltes "Holzbanjo" mit neun Saiten.

Sein über die Jahre gesammeltes Wissen hat Jochen Wiegandt gebündelt. Herausgekommen ist das erste historische Liederbuch aus Hamburg. In zwei Bänden sind zum einen mehr als 100 populäre, freche und lustige Lieder mit Noten abgedruckt, die in Band 2 mit ihrer Geschichte und Herkunft erläutert werden. Dazu gibt es die CD "Waterkant und Tüdelband".

Nun sollen Lieder hinzukommen, die bisher nur im kleinen Kreis gesungen wurden. In der Nachbarschaft, im Verein, im Hafen, in der Familie oder im Schrebergarten. Kinderlieder, Seemannslieder oder erotische Lieder; "'n büschen Swinkram oder was witzig Umgetextetes zu einer bekannten Melodie", sagt Wiegandt.

Er will den musikalischen Schatz nicht nur heben, sondern auch dem Nachwuchs zur Verfügung stellen. "Damit aus dem Alten wieder etwas Neues entsteht." Und junge Bands daraus etwas machen. Denn, so sein Motto: "Nicht die Asche der Tradition bewahren, sondern kräftig Feuer machen."

Medienpartner des Hamburger Abendblatt: