Hamburg. Der will nur spielen, das hat er noch nie gemacht – Expertin aus Eimsbüttel geht in neuem Buch Missverständnisse an. Ihre Tipps.

Sie läuft seit neun Jahren täglich durch Hamburgs Grünanlagen, vor allem durch den Altonaer Volkspark: Als Hundetrainerin mit Gassi-Service ist Annett Reinhold aus Hamburg-Eimsbüttel nicht nur Hunde-Expertin, sondern kennt sich inzwischen auch mit der Psyche der menschlichen Begleiter aus.

Weil ihr ein besseres Miteinander am Herzen liegt – vor allem angesichts der steigenden Zahl an Hunden in Hamburg – und sie für mehr Rücksichtnahme plädiert, hat sie den Gassi-Knigge geschrieben und räumt mit Mythen und Fehlinformationen auf.

Hunde in Hamburg: Gassi-Knigge räumt mit acht Mythen auf

Wenn Annett Reinhold mit bis zu sechs Hunden gleichzeitig ihre Runde dreht, dann geht das ganz entspannt vor sich. Da warten alle ruhig, versammeln sich, ehe Reinhold das Okay für die Tour in den Volkspark in Altona gibt.

Da läuft kein Hund quer durchs Gebüsch, die Gruppe bleibt beieinander – die Blicke und die Aufmerksamkeit von Mops Zelda, Irish Setter Greta, Labrador Tugba und Podenco Paula an diesem Morgen gelten vor allem einer Person: Annett Reinhold.

Bei vielen Hundehaltern in Hamburg klappt der Rückruf nicht

Dahinter steckt viel Training und Arbeit. „Die Jogger kennen mich und meine Hunde und sind dann ganz locker. Denn sie wissen: Ich rufe meine Hunde ab.“ Kommt ein Jogger, ein Radfahrer oder eine Kindergartengruppe oder etwa andere Hunde, ruft die 47-Jährige ihre Hunde zu sich – wenn sie nicht ohnehin schon angeleint durch den Park laufen.

Bei anderen Hundehaltern ist so ein Verhalten selten der Fall. Ihre eigene Hündin Paula wurde schon Opfer eines Beißvorfalls, weil der Halter sein Tier frei laufen ließ und es nicht kontrollieren konnte. „Der zuverlässige Rückruf klappt bei den wenigsten“, so ihre Beobachtung.

Hunde in Hamburg: Hundekot, rücksichtlose Halter – immer wieder gibt es Ärger

Sie ärgert sich häufig über andere Hunde, nein, natürlich über deren Halter. „Es macht mich wütend, wenn Halter den Kot ihrer Tiere nicht aufsammeln, wenn andere Hundehalter distanzlos sind und ihre Hunde überall hinlaufen, überall markieren, irgendwo herumstreunen lassen, während Frauchen oder Herrchen mehr mit dem Handy beschäftigt sind, anstatt auf ihren Hund zu achten“, sagt Annett Reinhold – also, wenn sich Hundehalter nicht an die einfachsten Regeln halten.

Dabei ist das gerade in einer Großstadt auf so engem Raum wichtig. Frei laufende Hunde, die nicht gehorchen und rücksichtsloses Verhalten einiger Hundehalter: Mit der steigenden Zahl an Hunden in Hamburg auf derzeit rund 62.336 Tiere steigt gefühlt auch der Ärger – und zwar vor allem unter Hundehaltern.

Gassi-Knigge – Verhaltensgrundsätze statt erhobener Zeigefinger

Konflikte entstehen häufig, weil das Wissen fehlt: Wie erkennen Halter, ob der Hund mit einem Artgenossen spielt oder ob das vermeintliche Spiel gar keines ist? Diese Fragen und Beobachtungen waren Anlass für Annett Reinhold, einen Gassi-Knigge zu verfassen.

Der Gassi-Knigge von Annett Reinhold gibt Ratschläge für ein besseres Miteinander von Menschen und Hunden in Hamburg.
Der Gassi-Knigge von Annett Reinhold gibt Ratschläge für ein besseres Miteinander von Menschen und Hunden in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

In ihrem Buch soll es nicht darum gehen, andere mit erhobenem Zeigefinger zu belehren oder Regeln vorzuschreiben. Vielmehr will sie ein achtsameres Bewusstsein schaffen, wenn es um den Umgang mit Hunden und Menschen geht. „Ich möchte keine philosophischen Diskussionen entfachen, sondern einfache Verhaltensgrundsätze aufführen“, schreibt sie im Gassi-Knigge.

Die Deutsche Knigge-Gesellschaft e. V. ist sogar mit einem Vorwort dabei: „Nicht Regeln sollen das menschliche Verhalten regulieren, vielmehr soll das Verhalten Anlass für Empfehlungen zum Umgang miteinander geben.“ Dabei kann es helfen, nicht nur die eigenen Befindlichkeiten im Blick zu haben, sondern auch einmal die Perspektive zu wechseln.

Hunde: Das sind die 8 größten Missverständnisse und Mythen

Annett Reinhold gibt Tipps, erklärt das Lebewesen Hund und räumt mit folgenden acht Mythen und Missverständnissen auf:

Mythos 1: Markieren ist ein natürliches Verhalten bei Hunden

„Ja, aber man kann es auch kontrollieren und unterbinden“, sagt Frau Reinhold. Ein Hund muss nicht gegen Fahrräder oder Blumentöpfe pinkeln.

Hunde-Mythos 2: „Der will nur mal Hallo sagen“

Hunde müssen nicht aneinander schnüffeln, um sich kennenzulernen. „Das machen sie schon aus großer Entfernung“, sagt Annett Reinhold. Nicht überraschend bei der feinen Hundenase. „Ich sage doch auch nicht jedem Menschen in der U-Bahn hallo und umarme fremde Menschen. Warum sollten unsere Hunde das tun?“

Hunde haben eine Individualdistanz wie wir Menschen auch. An der Leine ist die Körpersprache eines Hunde eine andere als im Freilauf. Auf Hundekontakte an der Leine sollte verzichtet werden. Es sei denn, die Hunde kennen sich.

Mythos 3 über Hunde: „Der tut nix, der will nur spielen!“

Wenn andere Hundehalter ihr Tier einfach losstürmen lassen – darüber kann sich Annett Reinhold ärgern. „Ist es denn wirklich zu viel verlangt, dass man seinen eigenen Hund im Blick behält und nicht zu jedem anderen Hund hinrennen lässt? Der andere Hund kann Angst haben, sich erschrecken. Das Gleiche gilt für Hunde, die auf Kinder zurennen oder fremde Menschen anspringen“, so die Trainerin.

Mythos 4: „Da muss er jetzt durch“

„Leute“, sagt Annett Reinhold, „begleitet euren Hund in Momenten, die Angst machen. Ein Kind würde man doch auch an die Hand nehmen und die Situation gemeinsam bewältigen.“ Wir Menschen haben laut der Hundetrainerin „die Sorgfaltspflicht“ und dafür zu sorgen, dass Hunde unbeschadet leben können.

Hunde-Mythos 5: „Das hat er noch nie gemacht“

Einmal ist immer das erste Mal. „Ich kann diese Ausrede nicht mehr hören“, schreibt Annett Reinhold. „Wenn Sie mit Ihrem Hund unterwegs sind, behalten Sie ihn unter Beobachtung. Wenn sich eine Aktion Ihres Vierbeiners abzuzeichnen beginnt, können Sie rechtzeitig eingreifen.“

Es gibt Hunde, die hecken ständig etwas aus. „Wenn man einen solchen Hund hat, dann kommt er eben an die Leine!“

Mythos 6: „Wie der sich freut, er wedelt mit dem Schwanz!“

Nur weil ein Hund seine Rute von rechts nach links schwingen lässt, heißt das nicht, dass er sich freut. „Das tun sie manchmal aus Unsicherheit, Angst, manchmal bei Schmerzen und bei Aggression“, so Reinhold.

Hunde-Mythos 7: „Der hat doch noch Welpenschutz“

Es gibt Welpenschutz, so Reinhold, aber nicht bei fremden Hunden. „Welpenbesitzer müssen im Hinterkopf behalten, dass ihr kleiner Hund nicht unkontrolliert auf andere, vor allem nicht auf fremde Hunde zustürmt.“ Denn auf kleine Hundebabys nehmen fremde Hunde keine Rücksicht.

Mythos 8: Hunde an der Leine zu halten ist nicht artgerecht

Das sieht die Hundefachfrau anders. „Die Leinenpflicht ist völlig in Ordnung. Eine Leine bietet dem Hund Schutz und Orientierung.“ Dass sie nicht artgerecht sei „ist völliger Quatsch“. Dass so viele Menschen ihre Hunde lieber frei laufen lassen, liege auch daran, dass die Hunde nicht leinenführig sind: „Die ziehen dann ständig, und das ist anstrengend.“ Leinenführigkeit aber sei reine Trainingssache.

„Der Gassi-Knigge
„Der Gassi-Knigge" der Hamburger Hundetrainerin Annett Reinhold. © Genevieve Wood | GeneviÈve Wood

Hunde in Hamburg: Miteinander funktioniert nur mit Respekt

„Die alltäglichen Begegnungen mit Hunden und ihren Haltern und Halterinnen, das Zusammensein mit hundelosen Mitmenschen und das Miteinander funktionieren nur mit Verständnis, Verantwortung und Respekt“, sagt Annett Reinhold.

Wie das Leben mit Hund in Hamburg gestaltet werden kann, ist nachzulesen in: „Der Gassi-Knigge. Mit Hund in Stadt und Natur unterwegs“, 19,95 Euro, ISBN 9783275022779