Eimsbüttel legt Bericht zum Tod Yagmurs vor. Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke sieht keinen Anlass, disziplinarische oder arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten.

Hamburg. Eimsbüttels Jugendamtsmitarbeiter sollen in rechtlichen Fragen künftig besser geschult werden und enger mit den Juristen des Rechtsamts zusammenarbeiten. Zu diesem Ergebnis kommt die Taskforce, die Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) nach dem Untersuchungsbericht der Jugendhilfeinspektion zum gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur („Yaya“) eingerichtet hatte. Die Arbeitsgruppe widmet sich in ihrem Bericht, der Montagabend dem Eimsbütteler Jugendhilfeausschuss vorgestellt wurde, vor allem der Frage, wie es am 7. Mai 2013 zu der 180-Grad-Wendung im Jugendamt kommen konnte und plötzlich die Weichen für die Rückführung Yayas zu ihren Eltern gestellt wurden.

In dieser Frage stellt sich Sevecke vor seine Mitarbeiter. Er sehe keinen Anlass, disziplinarische oder arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. Die Staatsanwaltschaft hatte, wie berichtet, Ermittlungsverfahren unter anderem gegen Jugendamtsmitarbeiter in mehreren Bezirken eingeleitet. Sevecke betont zudem, dass es keine personellen Probleme bei der Betreuung des Kindes gegeben habe und während der Zuständigkeit des Bezirksamtes Eimsbüttel durchgängig eine erfahrene Mitarbeiterin mit dem Fall Yagmur betraut gewesen sei.

In dem Krisenstab, den Sevecke vor gut zwei Wochen einberufen hatte, arbeiten unter anderen die Chefjuristin des Bezirksamts, der Jugendamtsleiter, eine Mitarbeiterin des Rechtsamts und die Kinderschutzkoordinatorin. Der Bericht legt die Interpretation nahe, dass die Entscheidung, Yaya aus dem Kinderschutzhaus rauszunehmen und ihren Eltern zurückzugeben, nicht am 7. Mai von der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin, sondern schon vorher vom Familiengericht vorbereitet wurde.

Wie berichtet, war Yaya in das Kinderschutzhaus gekommen, weil schwere Kopf-Bauch-Verletzungen bei dem Kind festgestellt worden waren, welche auf Gewalteinwirkungen zurückzuführen waren. Aus Dokumenten, die dem Abendblatt vorliegen, geht hervor, dass die damals mit dem Fall betraute Jugendamtsmitarbeiterin die Erziehungsfähigkeit der leiblichen Eltern des Kindes anzweifelte.

Am 23. April 2013 beantragte sie beim zuständigen Familiengericht, dass ein psychologisches Gutachten über die Eltern, Melek und Hüseyin Y., erstellt wird. Wörtlich heißt es in dem Schreiben an das Familiengericht: „Der Verdacht der Misshandlung bzw. des nicht kindgerechten Umganges mit Yagmur, der zu schweren Verletzungen geführt hat, kann weiterhin nicht ausgeschlossen werden.“ Kindeswohlgefährdende Aspekte durch die Eltern könnten nicht vollständig ausgeräumt werden. Zudem beantragte die Jugendamtsmitarbeiterin eine „Ergänzungspflegschaft“. Das bedeutet, dass einer unbeteiligten Person Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen werden sollen. Die Begründung der Sozialarbeiterin: Es bestehe „die dringende Sorge, dass die Eltern in einer Überforderungssituation nicht angemessen mit Yagmur umgehen“.

Über diese Anträge entschied die Familienrichterin jedoch nicht. Wie berichtet, kündigte die Richterin den Eltern Melek und Hüseyin Y. an diesem Tag lediglich an, ihnen das Sorgerecht für ihre Tochter zu entziehen, falls sie nicht einer Vollmacht zustimmen, mit der das Jugendamt Teile des Sorgerechts übernimmt, solange das Kind noch in Obhut ist. Die Mitarbeiterin des Eimsbütteler Jugendamts stand mit ihrer Meinung, dass das Kind nicht zur ihren Eltern zurück sollte, allein da. „In solchen Situationen hätte das Jugendamt auf einen Erlass eines entsprechenden Beschlusses drängen müssen – etwa mithilfe einer einstweiligen Anordnung“, sagte Sevecke gegenüber dem Abendblatt. „Eine Sozialpädagogin ist mit einem derartigen juristischen Prozedere jedoch nicht vertraut.“ Künftig müsste in derartigen Fällen immer das Rechtsamt eingeschaltet werden, so Sevecke weiter, um dem Familiengericht „auf Augenhöhe“ zu begegnen.

Die Jugendamtsmitarbeiterin plädierte kurz darauf, am 7. Mai, plötzlich auch für die Rückführung Yagmurs zu ihren Eltern. Zu dieser Kehrtwende bewegt die Sozialarbeiterin neben der Haltung des Familiengerichts auch die Nachricht, dass sich die Pflegemutter selbst bezichtigt, Yaya in der Vergangenheit verletzt zu haben. Als sie der Familienrichterin am Telefon ihre Entscheidung mitteilte, stimmte diese zu. Formal wurde aus dem Kindeswohlgefährdungsfall nun nur noch ein Betreuungs- und Beratungsfall. Sevecke kommt zu dem Schluss, dass Bewertungen von Selbstbezichtigungen nicht Aufgabe des Jugendamts seien. „Derartige Bewertungen sollten zukünftig ausschließlich von der Staatsanwaltschaft oder dem Familiengericht getroffen werden“, fordert der Bezirksamtsleiter.

Der SPD-Mann betont, dass es nun geboten sei, das Zusammenwirken der verschiedenen Institutionen bei Kindeswohlgefährdungen zu überprüfen. „Es ist aber wenig hilfreich, wenn jeder versucht, die Verantwortung von sich auf andere zu schieben.“ Alle in solchen Fällen beteiligten Akteure trügen gemeinsam die Verantwortung dafür, dass kein weiteres Kind ein solches Martyrium erleiden müsse.