Anwohner in Lokstedt fühlen sich über geplantes Containerdorf in der Nähe von Hagenbecks Tierpark zu schlecht informiert. Bedarf an Notunterkünften steigt.

Lokstedt. Der Plan der Stadt, kommende Woche auf einem Park-and-ride-Platz in unmittelbarer Nähe von Hagenbecks Tierpark ein Flüchtlingscamp für rund 200 Menschen zu errichten, stößt bei den Hamburgern überwiegend auf Verständnis. „Da es in den bestehenden Unterbringungen keinen Platz mehr gibt, muss den Flüchtlingen geholfen werden, eine Bleibe zu finden“, sagt Christoph Böge, 32, der in der Nähe des Parkplatzes an der Lokstedter Höhe wohnt. Dass die Pendler nun auf die rund 150 Parkplätze verzichten müssen, sei nicht gut. „Aber es ist das kleinere Übel – schließlich geht es hier um Menschen in Not.“ Das sieht Cäcilia Heysen aus Pinneberg ähnlich: „Es ist schade, dass ich den Parkplatz nicht mehr nutzen kann, aber irgendwo müssen die Flüchtlinge ja hin.“

Da die Zahl der Flüchtlinge, die in Hamburg Schutz vor Kriegen, Unruhen und Verfolgung suchen, dramatisch steigt, reagiert die Stadt jetzt mit dieser Notmaßnahme. Von Dienstag an werden 66 Container auf der P+R-Anlage neben der U-Bahn-Haltestelle Hagenbecks Tierpark aufgebaut. Rund 200 Flüchtlinge sollen dort ein vorläufiges Zuhause finden. Es sind Menschen, die von September an die hoffnungslos überfüllte Zentrale Erstaufnahme verlassen werden. Dort verbringen Neuankömmlinge die ersten drei Monate.

„Der P+R-Parkplatz ist nicht der beste Ort für eine Flüchtlingsunterkunft, aber er hat auch Vorteile“, sagt Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD). Der Platz sei in einem Wohngebiet, Einkaufsmöglichkeiten, Bushaltestelle und U-Bahn-Station seien direkt vor der Tür. „Wir sind sehr froh, dass es gelungen ist, so kurzfristig eine Lösung zur Unterbringung der Flüchtlinge zu finden“, sagte Rembert Vaerst, Geschäftsführer des städtischen Dienstleistungsunternehmens „fördern & wohnen“ (f&w), das das Containercamp betreiben wird. Die Behörden hätten sehr konstruktiv zusammengewirkt. „Am Dienstagvormittag beginnen wir mit dem Aufbau der 66 Container.“ Neben den Wohncontainern wird es auch einen Speiseraum, einen Sanitär- und Bürocontainer sowie Aufenthaltsbereiche für Erwachsene und Kinder geben. „Am 4. September können wir mit der Belegung der Container beginnen“, sagt Vaerst. Vorrangig werden Familien in das Flüchtlingscamp ziehen. „Da es sich um eine Notmaßnahme handelt, wird die Belegungsdichte hoch sein.“ Statt zwei müssten sich vermutlich drei bis vier Menschen einen Container teilen.

Sozialbehörde informierte die Anwohner am Freitag per Brief

Drei Sozialarbeiter von f&w werden den Flüchtlingen vor Ort zur Seite stehen. Vaerst: „Sie beraten die Menschen zum Beispiel bei Behördengängen, der Einschulung der Kinder, Einkaufsmöglichkeiten oder Sprachkursen.“

Am Freitag informierte die Sozialbehörde die Anwohner in einem Brief über das Vorhaben. Nach Ansicht einiger Lokstedter viel zu spät. „Es ist ungeheuerlich, dass wir nicht rechtzeitig informiert worden sind. Das ist eine Politik der vollendeten Tatsachen“, sagt Thomas Hackmann, dessen Lebensgefährtin nahe der neuen Flüchtlingsunterkunft wohnt. Zudem hieß es in dem Schreiben, dass die Unterbringung auf dem Parkplatz bis Jahresende befristet sei. „Das bezweifele ich – Fristen kann man verlängern“, sagt der 61-Jährige.

Hackmann hat nichts gegen die Flüchtlinge in seiner Nachbarschaft, nur gegen die Informationspolitik. „Es ist dringend erforderlich, Unterkünfte für die Menschen zu finden.“ Er hätte sich nur gewünscht, dass die Behörde vorher mit den Anwohnern spricht.

Bei Bedarf soll das Containerdorf auch länger bestehen bleiben

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Flüchtlinge nicht nur bis Ende 2013 in den Containern wohnen werden. In dem Brief der Sozialbehörde, der dem Abendblatt vorliegt, heißt es: „Die Genehmigung zur Nutzung der Fläche ist zunächst bis Jahresende beantragt und soll nur solange andauern, wie keine ausreichenden Plätze in regulären Unterkünften zur Verfügung stehen.“ Auch f&w-Geschäftsführer Rembert Vaerst vermutet, dass das Container-Camp länger bleiben wird. „Wenn es noch Bedarf gibt, wird die Genehmigung sicherlich verlängert.“

Angesichts des massiven Zustroms an Flüchtlingen, die derzeit in erster Linie aus der Russischen Föderation – vor allem Familien aus Tschetschenien –, aus Afghanistan, Syrien und dem Iran kamen, wird es vermutlich weiter großen Bedarf an Unterkünften geben.

„Da aufgrund der momentanen Weltlage, viele Menschen nicht in ihrer Heimat bleiben können, müssen wir uns darauf einstellen, dass die Zahl der Flüchtlinge auf einem hohen Niveau bleibt“, sagt Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Dass auf dem P+R-Parkplatz in Lokstedt nun ein Flüchtlingscamp entsteht, war eine kurzfristige Entscheidung. „Es war eine Sofortmaßnahme, da wir selbst erst seit Kurzem davon wissen“, sagt Scheele.

Es sei sehr schwierig, überhaupt geeignete Standorte in Hamburg zu finden. „Bei bestehenden Gebäuden reichen etwa der Brandschutz und die Sanitäranlagen nicht aus.“ In Gewerbegebieten sei es nicht erlaubt, dort größere Gruppen wohnen zu lassen. Scheele: „Und in „Wohngebieten komme es meistens zu Protest.“