Seit einem Monat ist das 20 Millionen Euro teure Eismeer bei Hagenbeck geöffnet. Ein Erfolg mit Pannen. Nachträglicher Filtereinbau möglich.

Stellingen. Kein Anfang ohne Hindernisse: Seit einem Monat ist das Eismeer geöffnet. Rund 150 000 Besucher haben das neue, 20 Millionen Euro teure Highlight im Tierpark Hagenbeck bisher besichtigt. Die Begeisterung ist groß, es gibt aber auch Irritationen: Eselspinguine sind auf der Flucht, schmutzig-grünes Wasser behindert die Unterwassersicht, ein Eisbär wandert stundenlang stupide von links nach rechts ... Was ist da los? Eine Inspektionsrunde über die 8000 Quadratmeter große Anlage gibt Antworten.

Gleich zu Beginn der Eismeerrunde gibt es tatsächlich keinen Durchblick mehr. Dunkelgrünes Wasser schwappt im Eisbärengehege gegen die Scheibe. Die Sicht: keine zehn Zentimeter weit. Wenn Victoria oder Blizzard ins Wasser tauchen, sind sie nur zu sehen, wenn sie sich gegen die Scheibe pressen. "Wir haben hier ein selbstreinigendes Wasserbecken ohne Filteranlage", sagt Hagenbeck-Sprecherin Eveline Düstersiek. Mikroorganismen sollen das Wasser klar halten. Diese müssen sich allerdings erst bilden. Die nötige Zeit für den Aufbau eines solchen biologischen Systems ging durch den ungeplanten Austausch einer gesprungenen Scheibe verloren. Erst kurz vor der Eismeer-Eröffnung konnte das Wasser wieder eingelassen werden. Jetzt wird es noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis es sich von alleine säubert.

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Und falls nicht? Dann folgt Plan B: "Die technischen Möglichkeiten für den nachträglichen Einbau einer Filteranlage haben wir", so die Tierpark-Sprecherin. Wer weiß, ob sich Blizzard bis dahin überhaupt häufiger als zu den Fütterungszeiten ins Wasser begibt. Der vier Jahre alte Eisbärmann lebte drei Jahre im Zoo Rostock, wo er sich wahrscheinlich eine sogenannte Stereotypie einfing. Er lebte an der Ostsee in einem Mittelgehege mit einem Weibchen auf der einen und einem Männchen auf der anderen Seite. Eine Verlockung und ein Konkurrent, die gleichzeitig im Blick behalten werden mussten. Das führte zu einem ständigen Pendeln auf einer Kurzstrecke, das das Tier auch jetzt noch betreibt. "Wir hoffen sehr, dass es doch nur eine Angewohnheit ist, die Blizzard mit der Zeit wieder ablegt", sagt Eveline Düstersiek.

Eismeer-Tierpfleger Dirk Stutzki versucht ihn täglich mit versteckten Futterangeboten - mit Erdnüssen und Honig - von seinem Trampelpfad wegzulocken, um ihm neue Wege aufzuzeigen. Geduld ist gefragt, denn Tiere gewöhnen sich nur langsam an eine neue Umgebung. Den acht Meter hohen Aussichtspunkt auf ihrer Anlage haben die Eisbären bisher noch nicht erklettert, und die Humboldtpinguine brauchten mehrere Tage, bis sie sich trauten, auf den immerhin vier Meter tiefen Grund ihres Beckens zu tauchen.

Bei Walrossdame Neseyka und den zwei Kegelrobben Zephir und Szara ist die Sicht unter Wasser klar und die Stimmung tiefenentspannt. Nachdem die Robben anfangs ständig in den Graben des Außenbeckens sprangen, um sich vor ihrer großen Verwandten zu verstecken, schlug die Angst inzwischen in dicke Freundschaft um. Man mag sich und taucht gemeinsam durch das mehr als sieben Meter tiefe Becken. Derart gelassen wird Neseyka eine ihr drohende Zahnbehandlung stoisch über sich ergehen lassen. Im russischen Zoo, wo sie aufgewachsen ist, hatte sie sich ihre Stoßzähne an Betonwänden kaputtgestoßen, das kann ihr im neuen Zuhause mit einer Spezial-Walross-Beschichtung nicht passieren.

Die Nachbarn nebenan brauchen dagegen keinen Besuch vom Tierarzt. Bei den Humboldt-, den Esels- und den Königspinguinen ist nicht die Räude ausgebrochen, es ist die Mauser. Einmal im Jahr wechseln die Tiere ihr Gefieder, in dieser zwischen sechs bis acht Wochen langen Zeit können sie nicht schwimmen und sehen nicht nur zerrupft, sondern mitunter auch etwas traurig aus. Kein Grund zur Sorge.

Die bereitet den Tierpfleger etwas ganz anderes. Das Eismeer-Konzept will einen nahen und so gut wie barrierefreien Kontakt zwischen Mensch und Tier möglich machen. Das funktioniert allerdings nur, wenn sich die Besucher an die Regeln halten. Diese lauten: "Nicht füttern und nicht anfassen!"

Der kleine Steinstrand ist für die Humboldtpinguine und nicht für streichelfreudige Menschen gemacht, die Tierpfleger mussten schon einige Besucher von der Anlage herunterbitten. Unerwünscht ist auch das Füttern der Tiere, speziell der Seevögel.

Etwas unklar ist der Grenzbereich zwischen Mensch und Tier in der Anlage der antarktischen Pinguine definiert. Halbhohe Glasscheiben und etwa 1,70 Meter hohe Kunstfelsen trennen die Vögel vom Besucherbereich. Eine europaweit einmalige Konstruktion, denn sie ermöglicht es, die Tiere nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören und zu riechen - und sie beim Schwimmen am Bauch oder Rücken zu kraulen. "Das ist für die Pinguine aber gefährlich, weil sie sehr empfänglich für krank machende Keime sind", sagt Hagenbeck-Sprecherin Eveline Düstersiek. Als das Eismeer noch eine Baustelle, von den Pinguinen aber bereits bezogen war, durften die Tiere über Leitern in den Besucherbereich klettern und die Umgebung erkunden. Das hat Folgen: Immer noch springen die neugierigen Tiere manchmal auf die hohen Kunstfelsen. Auge in Auge mit dem Fremdling. Aber auch hier gilt: Finger weg, nur gucken! Wer sich Zeit nimmt, kann vielleicht schon bald die Eselspinguine beim Nestbau beobachten. Ist die Mauser abgeschlossen, werden die Tierpfleger kleine Kieselsteine auf der Anlage verteilen. Daraus bauen die Tiere in der einsehbaren Bruthöhle ihre Nester.

Einen Neuzugang gibt es: Seelöwe Siku hat mit Weibchen Faye eine Gefährtin bekommen. Nach Wochen auf der Quarantänestation sind die beiden jetzt zu den Seebären gezogen. Wann weitere Walrosse in Hamburg eintreffen, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass die ersten 100 Tage Eismeer am 12. Oktober gefeiert werden.