Arieh Gelber, der Kantor der jüdischen Gemeinde kehrt zurück in seine Heimat Israel. Mehr Zeit hat er - zumindest im Augenblick - noch nicht.

Hamburg. Die meisten Menschen rufen "Hallo", wenn sie jemanden grüßen. Die Hamburger gerne auch "Moin". Arieh Gelber sagt "Schalom". Frieden heißt das, auf Hebräisch, Gelbers Muttersprache. Seit 1993 hat er in Hamburg gelebt und hier als Kantor der jüdischen Gemeinde gearbeitet. Nach fast zwei Jahrzehnten kehrt Gelber nun in seine Heimat zurück. Gestern wurde er offiziell von seiner Gemeinde verabschiedet. Übermorgen geht sein Flug nach Tel Aviv.

Ob er sich auf den neuen Lebensabschnitt freut? "Keine Zeit", sagt Gelber beim Gespräch in seiner Wohnung an der Schäferkampsallee. Schließlich sei er gerade ausgiebig damit beschäftigt, seinen Umzug nach Israel zu organisieren. Um ihn herum stehen zahllose Kartons, alle randvoll bepackt. Auf einer Kiste liegt ein prall gefüllter Ordner mit allen Zeitungsartikeln, die in Hamburg in den vergangenen Jahren über Arieh Gelber erschienen sind. "Ist einiges zusammengekommen", sagt Gelber mit seinem charmanten Akzent. Der Stolz in der Stimme des Mannes mit der hohen Stirn und dem markanten Schnurrbart ist unüberhörbar.

Arieh Gelber, mit dem verschmitzten Lächeln im von einer wuchtigen Brille gerahmten Gesicht, hat Ausstrahlung. Eine Ausstrahlung, die sympathisch wirkt. Zumindest wenn man Gelbers Frau Rosa, 52, glauben darf. Mit ihr ist Arieh Gelber seit 33 Jahren kinderlos verheiratet. "Mein Mann ist sehr beliebt", sagt sie. "Alle sind sehr traurig, dass er geht."

Arieh Gelber nickt. "Das ist wahr", sagt er und es klingt zwar nicht bescheiden, aber echt. Wie zum Beweis für seine Worte erzählt Gelber, was er in Hamburg alles geleistet hat: "Zu Gottesdiensten habe ich gesungen, zu Beerdigungen, zu Festen. Und Kindern Religionsunterricht gegeben. Auch mit ihnen gesungen." Und jetzt kommt noch ein Beweis: Arieh Gelber beginnt zu singen, besser: zu schmettern. So laut, kraftvoll und raumfüllend ist seine Stimme auf einmal.

Gelber ist Tenor und einer von, so sagt er, nur drei professionellen jüdischen Kantoren in ganz Europa. Fünf Jahre lang studierte er in Tel Aviv am renommierten Selah-Seminar, lernte dort auch Klavierspielen und Komponieren. Später war er als Vorsänger im Einsatz und besuchte zahlreiche Fortbildungen auf der ganzen Welt. 1993 holte ihn die Jüdische Gemeinde Hamburg schließlich an die Elbe. Zu Gelbers Repertoire zählen neben Kantoralwerken, also getragenen Gesängen für die Synagoge, auch heitere Volksweisen.

"Mit Herrn Gelber verlieren wir buchstäblich unsere Stimme", sagt Roy Naor vom Vorstand der gut 3000 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde. "Wir sind traurig, dass er geht, und wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute." Ein Nachfolger für das Amtdes Kantors werde gegenwärtig noch gesucht.

"Wer auch immer mich beerbt", sagt Arieh Gelber, "der kann sich auf den schönsten Flecken Europas freuen. Genau das nämlich ist Hamburg für mich in den vergangenen Jahren und während meiner Zeit hier geworden." Auf jeden Fall wolle er die Hansestadt schon ganz bald wieder besuchen, sagt Arieh Gelber. "Schließlich leben hier sehr viele Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind und denen ich unbedingt gern mal wieder Schalom sagen möchte."