Die Ausstellung “Wahlverwandtschaften“ im Völkerkundemuseum zeigt den Einfluss nicht sesshafter Völker auf die moderne Kunst.

Völkerkundemuseum. "Wahlverwandtschaften" heißt der programmatische Titel einer Ausstellung im Museum für Völkerkunde, in der es um "Imaginationen des Nomadischen in der Gegenwartskunst" geht. Die Schau ergänzt die große Nomaden-Ausstellung, die das Haus an der Rothenbaumchaussee in enger Kooperation mit Wissenschaftlern der Universitäten Leipzig und Halle zeigt. Während es dort um eine interdisziplinäre Darstellung der Vielfalt nomadischer Lebensformen und deren oft konfliktreiche Beziehung zur sesshaften Welt geht, steht hier die künstlerische Auseinandersetzung im Vordergrund.

Man könnte den Bogen bis ins 19. Jahrhundert ziehen, als sich Künstler noch unter kolonialem Blickwinkel mit dem Nomadischen beschäftigten oder diese scheinbar ungebundene Lebensform romantisch verklärten. Doch das Konzept, das Ausstellungskurator Peter Herbstreuth zugrunde legt, setzt erst 1969 ein - und zwar mit einer Ikone der Nachkriegskunst.

"Der mit Filz, Fett und einer Taschenlampe bepackte 'Schlitten' von Joseph Beuys, den wir in der Ausstellung zeigen, markiert den Einzug des Nomadischen in die bildende Kunst", sagt der Kurator, dem es darum geht, inhaltliche Bezüge aufzuzeigen. "Wir befinden uns in einer nomadischen Kultur. Der Geist muss ohne feste Weltanschauung auskommen", hatte Beuys konstatiert. Künstler konnten das Nomadische als Ungebundenheit oder als Unbehaustheit verstehen, hatten aber vielfach wenig Bezug zum realen Leben der Nomaden.

Die Ausstellung präsentiert jedoch vor allem Werke von Künstlern, die das Nomadische nicht nur auf einen mobilen Lebensstil reduzieren, sondern es inhaltlich und formal aufnehmen. So porträtiert Maja Weyermann mit ihrer eigens für die Ausstellung produzierten Videoarbeit "about paradise I/II" zwei Hamburger Teppichhändlerfamilien, die aus dem Iran stammen.

Und der britische Multimediakünstler Daniel Baker, der Soziologe und Vorstand des englischen Gypsy Council ist, hat einen ebenso forschenden wie spielerischen Zugang zum Thema. Von ihm stammt das Objekt "Empress", das eine mit goldenem Tand geschmückte Achse eines Zigeunerwagens mit zwei Holzrädern zeigt.

Von besonderer Ernsthaftigkeit und einer tiefen ästhetischen Beeinflussung zeugen die Arbeiten des Dresdner Künstlers Wilhelm Müller (1928-1999). Da sich seine Kunst nicht in Übereinstimmung mit der offiziellen Doktrin bringen ließ, durfte Müller in der DDR nicht offiziell ausstellen. Er arbeitete als Zahnarzt, war aber zugleich ein anerkannter Experte für ostasiatische Kunst und nomadische Teppiche. Von deren Materialität und Farbigkeit ließ sich Müller zu seinen konstruktivistischen Gemälden in Autometallic-Lack anregen, deren Oberflächen er - in Anlehnung an die geometrische Ordnung von Kelims - mit aufgelegten Schnüren gliederte.

"Wahlverwandtschaften" Imaginationen des Nomadischen in der Gegenwartskunst. Museum für Völkerkunde (U Hallerstraße), Rothenbaumchaussee, bis 6.5., Di-So 10.00-18.00, Do bis 21.00, Katalog 12,90 Euro; weitere Infos im Internet: www.voelkerkundemuseum.com