SPD attackiert Koalitionspartner. Der fühlt sich nicht an Vertrag gebunden und unterstützt Initiative gegen Ausbau des Eidelstedt-Centers.

Eidelstedt. Vielleicht war es nur eine Vorahnung, vielleicht war es aber auch bereits Gewissheit. Anfang April blickten die Fraktionen von SPD und Grünen in Eimsbüttel auf gut ein Jahr Koalition zurück. Es herrschte Zufriedenheit: "Wir haben viele wichtige Ziele erreicht." Eine Herausforderung sei aber der Bürgerentscheid zum Ausbau des Eidelstedt-Centers, hieß es.

+++Der Bürgerentscheid+++

Heute, einen Tag vor Ende der Abstimmung über das Einkaufszentrum, ist nicht nur dies eine Herausforderung für Rot-Grün, sondern auch das Verhältnis innerhalb der Koalition. Denn trotz eines gegenteiligen Absatzes im Koalitionsvertrag stellen sich Grüne hinter die Forderung der Bürgerinitiative Grünes Zentrum Eidelstedt nach einem Ausbaustopp - und damit gegen den "Regierungspartner".

"Ein solches Verhalten ist inakzeptabel", sagt Rüdiger Rust, SPD-Fraktionsvorsitzender. "Das entspricht nicht dem Umgang, wie er in einer Koalition sein sollte." Weniger problematisch sieht das Grünen-Fraktionsvorsitzender Roland Seidlitz: "Wir sind grundlegend auch für den Ausbau, möchten aber, dass die Pläne angepasst werden." Damit meint er allerdings "angepasst" den Forderungen der Bürgerinitiative Grünes Zentrum Eidelstedt.

+++Eidelstedt-Center: Eimsbüttel stimmt über 17 Bäume ab+++

Darum geht es: Der Investor Meag will das in die Jahre gekommene Einkaufszentrum aufhübschen und erweitern. Dafür soll ein 2600 Quadratmeter großer Platz, auf dem 17 Bäume stehen, mit diesen einer Konstruktion aus Glas und Beton weichen. Der Bürgerentscheid will dies verhindern - und fordert einen Alternativplan, dem keine Bäume zum Opfer fallen. Im Koalitionsvertrag steht dazu folgender Absatz: "Zur Stärkung des bezirklichen Zentrums ist grundsätzlich die bauliche Erweiterung notwendig. Der Baumbestand sollte, wenn möglich, erhalten bleiben." Sollte. Wenn möglich. Ein kleiner Einschub, der im Umkehrschluss bedeutet, dass die GAL das Vorhaben unterstützen müsste, sollte die Grünfläche nicht zu halten sein.

SPD-Fraktionschef Rust: "Der Vertrag ist eindeutig." Die SPD stehe zu dieser Geschäftsgrundlage und gehe davon aus, dass dies bis auf wenige Ausnahmen auch die Grünen tun. "Ich sehe erst mal keine Gefahr für die Koalition", so Rust. Manchmal wisse er aber selbst nicht, woran er bei den Eimsbüttler Grünen sei. Zudem habe er den Eindruck, dass bei dem Thema auch parteiinterne Geschichten eine Rolle spielen.

Dass Grüne nun für das Begehren stimmen, sieht Annemarie Teske, Vertrauensfrau der Initiative Grünes Zentrum Eidelstedt, nicht kritisch. "Ich verbuche das unter Privatmeinung", sagt Teske, die selbst Mitglied der Grünen ist und bereits Erfahrung hat, mit Bürgerentscheiden gegen Investoren vorzugehen. Im Konflikt um die Ansiedlung des Möbelhauses Höffner in Eidelstedt vertrat sie als Marie Teske die Initiative gegen den Bau. Dagegen war auch die GAL - allen voran der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Horst Becker: "Selbst wenn das Möbelhaus nur halb so groß werden würde, wäre es für uns noch zu groß."

+++Glas oder Grün im Eidelstedt Center - Eimsbüttel wählt+++

Genau dieser Horst Becker ist Mitinitiator des aktuellen Bürgerentscheids. Über diesen Mann hat die stellvertretende Eimsbüttler GAL-Fraktionsvorsitzende Stefanie Könnecke in ihrem Blog geschrieben: "Ein ganz wichtiger und besonderer Mensch aus meinem politischen Leben wurde von den Wählern in die politische Rente geschickt. [...] Ich kann nur sagen: Danke Horst." Nun kann sich Becker bedanken, denn Könnecke vertritt heute trotz des Koalitionsvertrags in aller Öffentlichkeit die Meinung seiner Initiative.

"Wir haben damals bewusst den Satz zum möglichen Erhalt der Bäume in den Vertrag eingefügt", sagt Roland Seidlitz (Grüne) über die Koalitionsbildung. Aber: "Wir sind jetzt zu der Einsicht gekommen, dass der Bebauungsplan eine Fehlentscheidung war", erwidert seine Stellvertreterin Stefanie Könnecke. Wen meint sie mit "wir"? "Das ist die Fraktionsmeinung." Das hieße: Die komplette GAL-Fraktion Eimsbüttel hätte sich in diesem Punkt vom Koalitionsvertrag verabschiedet. Laut Eidelstedt-Center-Gegnerin Könnecke hoffen die Grünen auf folgendes Szenario: Der Ausbau wird per Volksbegehren gestoppt und anschließend eine "baumfreundliche" Alternative entwickelt. "Der Bürgerentscheid kommt uns da sehr entgegen."

Auch der grüne Parteichef Volker Bulla betont die Vorteile des Volksentscheids. Eine Position zum Eidelstedt-Center will er mit dem Hinweis, dass die Entscheidung bei den Bürgern liege, nicht einnehmen. "Wir sind aber eine Partei, die direkte Demokratie und deren Werkzeuge unterstützt", sagt Volker Bulla.

Hinter vorgehaltener Hand bewerten viele Politiker das ganz anders. Vertreter verschiedener Parteien schildern den Eindruck, dass sich die Eimsbüttler Grünen auf "jede Bürgerinitiative stürzten". Höffner, Diakonieklinikum, Feldhoppstücken - immer nah am potenziellen Wähler. Und im Fall Eidelstedt-Center? "Wir arbeiten überparteilich und haben dementsprechend aus allen Parteien Zulauf", sagt Annemarie Teske von Initiative Grünes Zentrum Eidelstedt.