Hamburg. Stiftung Lebensraum Elbe hat auch Dove- und Gose-Elbe, Bille und Schleusengraben im Blick. 27 Millionen Euro werden investiert.

Die Stiftung Lebensraum Elbe startet ihr bisher mit Abstand umfangreichstes Projekt: Sie soll Hamburgs Gewässernetz fit für die Zukunft machen. Das Projekt „Hamburg, deine Flussnatur“ ist auf 13 Jahre angelegt. 27 Millionen Euro werden dafür bereitgestellt. Drei neue Mitarbeiter wurden eingestellt, allesamt Fließgewässer-Experten. Insgesamt 35 Gewässer – Flüsse und Bäche, auch Dove- und Gose-Elbe sowie Schleusengraben und Bille – haben die Fachleute der Stiftung, die die ökologische Struktur der Elbe und ihrer Nebengewässer aufwerten soll, im Blick.

Der Biotopverbund der Hansestadt soll gestärkt werden, berichtet Dr. Elisabeth Klocke, geschäftsführender Vorstand der 2010 gegründeten Stiftung: „Die Biotope sind schlecht oder gar nicht miteinander verbunden.“ Die Wasser-Land-Verbindungen sollen verbessert werden, damit Tiere Hürden überwinden und Pflanzen sich ansiedeln können. „Wir wollen den Tieren ermöglichen, zwischen Wasser und Land zu wechseln“, sagt die Lohbrüggerin.

Der Verlauf der Gewässer wird nicht verändert

So seien etwa die Ufer von Dove- und Gose-Elbe zu einem großen Teil befestigt: „Steine wurden oft auch dort aufgetragen, wo sie nie notwendig waren. Ein Fluss hat nicht überall die Tendenz, sich auszubreiten. Wir vergeben uns was, ohne Not.“ Befestigte Ufer würden beispielsweise dem in beiden Gewässern vorkommenden Fischotter schaden: Er brauche natürliche Uferkanten und zusammenhängende Wanderkorridore, um Rückzugsräume erreichen zu können. Auch der Eisvogel, der mit Glück an der Saselbek beobachtet werden könne, brauche Uferabbrüche, um dort seine Brutröhren bauen zu können.

Der Verlauf der Gewässer werde nicht verändert, betont die studierte Chemikerin: „Ihre Stabilität bleibt erhalten.“ Auch sollen die unterschiedlichen Interessengruppen in Hamburg vor der Umsetzung der Maßnahmen eingebunden werden. Wassersport, insbesondere auf der Allermöher Regattastrecke, dürfe nicht beeinträchtigt werden, ebenso die Berufsschifffahrt.

Fische finden ein Versteck, Vögel einen Platz zum Jagen

Steine sollen, dort wo es möglich ist und wo es besonders viel Sinn macht, vom Ufer entfernt werden. Es sei auch das Befestigen von Baumstämmen im Wasser angedacht – parallel zu den Uferkanten. So würden vielfältige Strömungsgeschwindigkeiten erzeugt, die für manche Tiere und Pflanzen existenziell seien. „Fische finden dort ein Versteck, Vögel einen Platz zum Jagen. Insgesamt führen solche Maßnahmen zu mehr Vielfalt.“

„Im kleinen Maße wollen wir auch Grundstücke erwerben, um dort Ufer abzustufen, Steine zu entfernen und kleine Buchten zu bauen“, sagt Elisabeth Klocke. Vorstellbar seien solche Maßnahmen am Schleusengraben: „Er wurde komplett künstlich angelegt und hat deshalb total gerade, steile Ufer.“

75 Prozent der Summe gibt der Bund dazu

Auch die Mittlere Bille bei Billwerder und ein Stück der Oberen Bille bei Lohbrügge sollen nun genau betrachtet werden. Bis zum Einfluss in die Elbe verläuft die Bille in Rothenburgsort und am Berliner Tor in Kanälen mit Ufern aus Beton und Stein. „Dort wollen wir schauen, ob schwimmende, künstliche Inseln angesiedelt werden können, auf und an denen sich Pflanzen und Tieren ansiedeln sollen.“ Auch kleine, am Grund befestigte Betonhindernisse als Strömungslenker seien in diesen Kanälen denkbar.

Das Geld für die Renaturierung der Gewässerkorridore stamme zu 75 Prozent vom Bund, zu fünf Prozent von der Hamburger Umweltbehörde und zu 20 Prozent aus dem Stiftungsvermögen, das 35 Millionen Euro beträgt, von denen 20 Millionen Euro eingefroren seien, um von den Zinsen zu profitieren.

Zwischen 2025 und 2034 sollen die Maßnahmen umgesetzt werden

Das Großprojekt sei in zwei Teile untergliedert: Bis 2024 würden konkrete Maßnahmen geplant. Anschließend, zwischen 2025 und 2034, sollen sie umgesetzt werden. Die Stiftung, von der die Idee zu dem Großprojekt stammt, plant und tritt anschließend als Bauherrin auf. „Wir starten Ausschreibungen, vergeben Aufträge und sind vor Ort.“

Auf das Fischsterben, wie es immer wieder im Sommer wegen Sauerstoffmangel aufgrund hoher Wassertemperaturen vorkommt, habe das Wirken der Stiftung keinen Einfluss, erklärt Klocke. Erst vor wenigen Wochen verendeten in der Stromelbe nahe der Tatenberger Schleuse mehr als 10.000 Fische. „Die Fische könnten überleben, wenn sie sauerstoffhaltige Rückzugsräume entlang der Elbe fänden. Ein solcher Rückzugsraum könnte im Bereich Bergedorf eine wieder an die Tideelbe angebundene Dove-Elbe sein. Diese Wiederanbindung ist aber explizit nicht Teil unseres Projekts“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das Thema ist vom Tisch.“

Zusätzlich zu dem Naturschutzgroßprojekt arbeiten Elisabeth Klocke und ihr Team an 27 weiteren Vorhaben. „Darüber hinaus fördern wir finanziell elf Projekte von anderen Institutionen“, sagt die Chefin.