Billwerder. Die Menschen in den Dörfern, neben denen der neue Stadtteil Oberbillwerder entstehen soll, sorgen sich in Zeiten zunehmender Starkregenereignisse um ihre Sicherheit. Aus Sicht der Dorfgemeinschaft Billwärder ist die Entwässerung Oberbillwerders nicht ausreichend geregelt. Der neue Stadtteil solle durch ein ein einziges Nadelöhr entwässert werden.
Das Nadelöhr ist ein Loch mit knapp 1,50 Metern Durchmesser, der Abfluss des Nördlichen Bahngrabens, des einzigen Hauptentwässerungsgrabens in dem künftigen Baugebiet. Es befindet sich hinter der Siedlung Am Gleisdreieck. Das Wasser fließt von dort aus in Richtung des Südlichen Bahngrabens, versickert auf Feldern oder fließt weiter nach Allermöhe in die Dove-Elbe, sagt Jan Diegelmann von der Dorfgemeinschaft Billwärder.
Böden hätten derzeit durch ihre Verdunstungskälte eine hohe Kühlleistung
Schon im Mai 2018 sei das gemeinsame Entwässerungssystem von Bergedorf-West, Nettelnburg, Allermöhe und Billwerder vollkommen überfordert gewesen, betont Diegelmann. Damals kam es zu massiven Überschwemmungen, standen nach extremen Regenfällen zahlreiche Straßen, Wohnungen, Garagen und Keller unter Wasser. Diegelmann: „Ein weiteres aufgehöhtes und größtenteils versiegeltes Wohngebiet, welches in dieses System entwässert, wird Auswirkungen haben und die prekäre Situation des Entwässerungssystems weiter massiv verschärfen.“
Derzeit hätten die Böden durch ihre Verdunstungskälte eine hohe Kühlleistung, betont Diegelmann. „Doch ein Neubaugebiet würde Hamburg weiter erwärmen und wäre damit ursächlich für Starkregenereignisse verantwortlich.“ Arne von Maydell, Sprecher der IBA Hamburg, widerspricht: „Aufgrund der anzulegenden und verpflichtenden Gründächer sowie der großflächigen geplanten Wasserflächen in den Freiflächen ist mit einer höheren Verdunstungsrate als bisher in der landwirtschaftlichen Nutzung zu rechnen.“
Weitere Entwässerungskanäle bei der Planung aus Kostengründen verworfen
Diegelmann kritisiert, dass die mit der Planung des Stadtteils beauftragte IBA Hamburg beim Schutz vor Hochwasser nur Oberbillwerder selbst im Blick habe, nicht aber die umliegenden Stadtteile. Doch die Häuser am Billwerder Billdeich, am Mittleren Landweg und in Bergedorf-West wären um so mehr betroffen, wenn es bei Starkregen Probleme gibt, betont er.
„Wo Oberbillwerder gebaut werden soll, befinden sich derzeit Felder, in denen das Regenwasser versickert. Das wäre dann nicht mehr möglich.“ Diegelmann, der sich seit Jahren intensiv mit der Planung des neuen Stadtteils befasst, kennt auch die Gutachten zu dem Projekt: „Die mir bekannten Gutachten betrachten das Problem der Entwässerung nicht umfassend.“ Am Anfang der Planungen sei der Bau weiterer Entwässerungskanäle ein Thema gewesen, erinnert sich Diegelmann, „aber das wurde aus Kostengründen verworfen“.
In Oberbillwerder entstehen auf 118 Hektar bis zu 7000 Wohneinheiten
Oberbillwerder soll sich über etwa 118 Hektar erstrecken, auf denen bis zu 7000 Wohneinheiten entstehen sollen. „Hinzu kommen die Erschließungsstraßen vom Billwerder Billdeich und vom Mittleren Landweg aus“, betont Diegelmann. Für den neuen Stadtteil, der im Durchschnitt um einen Meter erhöht wird, soll haufenweise Sand angekarrt werden.
„Durch die geplante differenzierte Aufhöhung von Oberbillwerder, von Nord-Ost nach Süd-West abfallend, kann eine gezielte und gesicherte Ableitung in Richtung Nördlichen Bahngraben erfolgen“, sagt von Maydell. „Dieser entwässert weiter in Richtung Westen an das Schöpfwerk Allermöhe. Ein Abfluss von Regenereignissen in Richtung Bergedorf-West oder nach Neuallermöhe-West, also in Richtung landwirtschaftliche Flächen, wird somit verhindert.“
Laut IBA werde die Nachbarschaft bei der Planung einbezogen
Auf Facebook hat die Dorfgemeinschaft ihre Sorgen vor mangelnder Entwässerung gepostet und viele Rückmeldungen erhalten. „Einige Leute haben Fotos eingestellt, die sie beim Starkregen 2018 gemacht haben.“
Oberbillwerder erhalte eigene Retentionsflächen (Überflutungsflächen: Grüner Loop, Blaues Quartier und ein Retentionsbecken im Nord-Westen), die ein Starkregenereignis der Größe von 2018, das es statistisch alle 100 Jahre gibt, aufnehmen können, teilt Arne von Maydell mit. „Das Gebiet wird daher eine größere und bessere Retentionswirkung haben als die bisher direkt entwässernden landwirtschaftlichen Flächen. Bei noch größeren Ereignissen ist das Flächen- und Höhenmodell so angelegt, dass temporär weitere öffentliche Flächen, etwa Quartiersplätze, einstauen können.“
Drosslung und Verzögerung bewirke eine Verbesserung gegenüber dem Status quo
Sämtliches im Projektgebiet anfallendes Niederschlagswasser werde zuerst in die internen Retentionsflächen geleitet und von dort aus gedrosselt und zeitlich verzögert in den Nördlichen Bahngraben Richtung Schöpfwerk Allermöhe abgegeben. Von Maydell: „Die Drosselung und Verzögerung bewirkt eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Status quo und eine Entspannung der nachlaufenden Vorfluter. Der Durchlass Richtung Süden wird somit entlastet und nicht zusätzlich beaufschlagt.“
Der bestehende Durchstich in Richtung Schöpfwerk Allermöhe sei ausreichend dimensioniert, meint von Maydell. „Eine zusätzliche Ableitung ist hydraulisch in Richtung Süden aus Sicht der Planung nicht sinnvoll.“ Selbstverständlich würden die Nachbargebiete bei der Planung der Entwässerung einbezogen, betont der IBA-Sprecher.
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