Billwerder. Der anhaltende Flüchtlingsstrom lässt Hamburg neue Wege gehen. Nach dem ersten Schock über die Ankündigung von Innensenator Michael Neumann (SPD), Massenunterkünfte für 3000 oder sogar mehr Menschen in jedem der sieben Bezirk zu schaffen, wird es auf der Bergedorfer Fläche südöstlich vom S-Bahn-Halt Mittlerer Landweg jetzt konkret.
Geschosswohnungen statt Stapelcontainer
Statt auf den acht Hektar des sogenannten „Gleisdreiecks“ eine riesige Containerstadt aufzustapeln, sollen Wohnungen gebaut werden. Bezugsfertig wird Bergedorfs erster Stadtteil für Flüchtlinge Ende 2016, so sieht es zumindest ein Senatsbeschluss vor.
„Sportlicher“ Zeitplan
„Das ist sportlich. Eigentlich dauert allein der Bau schon 18 Monate“, gab Bezirksamtsleiter Arne Dornquast in der Bezirksversammlung zu bedenken. „Aber wenn wir alle Kräfte bündeln, dann kann es klappen.“
Anders als für herkömmliche Wohnbebauung gelten für die Unterbringung von Flüchtlingen bundesweit Sonderregeln, die die Verfahren beschleunigen sollen und ansonsten geltendes Baurecht außer Kraft setzen. Die Anstrengung könne sich lohnen, meint Arne Dornquast „weil hier endlich richtige öffentlich geförderte Wohnungen für Flüchtlinge entstehen".
Wohnungsbau wie in den 60er-Jahren
Viele Politiker mögen diesen Optimismus nicht teilen. Helmut Sturmhoebel (Linke) warnte, dass Integration in einem eigenen Stadtteil für Flüchtlinge gar nicht mehr möglich sei. Sein Fraktionschef Michael Mirbach forderte stattdessen, Sozialwohnungen in allen vorhandenen Quartieren des Bezirks als Nachverdichtung hochzuziehen: „Was wir jetzt brauchen, ist ein massiver Wohnungsbau wie in den 50er- und 60er-Jahren.“
CDU fürchtet um Bürgerbeteiligung
CDU-Fraktionschef Sven Noetzel sorgte sich derweil, dass die nötige Bürgerbeteiligung und -information durch die hektische Planung unter die Räder komme, was zusätzliche Konflikte heraufbeschwöre. Nur Paul Kleszcz (SPD) sprang Dornquast und dem Senat zur Seite, ließ mit den Stimmen seiner und der Grünen-Fraktion einen „Masterplan Mittlerer Landweg“ beschließen.
Vorreiter für ganz Hamburg?
Das Ziel lautet: Der neue Stadtteil soll als Prototyp für die Unterbringung von Flüchtlingen in ganz Hamburg entwickelt werden.
Danach soll das Großprojekt Ausgangspunkt für die städtebauliche Entwicklung des gesamten Einzugsbereichs um den S-Bahn-Halt werden – einschließlich umfangreicher Beteiligung der Bürger, etwa in einer Stadtwerkstatt. Dabei werde es laut Kleszcz auch darum gehen, die soziale Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten zu schaffen.
Info-Abend vor den Herbstferien
Bevor das alles angeschoben wird, soll am 15. Oktober (18 Uhr, Rathaus) der Hauptausschuss über die konkreten Senatsplanungen informiert werden. Zudem verspricht Dornquast eine Bürgerinformation „noch vor den Herbstferien“. Dann werde es auch darum gehen, wie das Projekt so schnell auf einer im Flächennutzungsplan als Gewerbeareal vorgesehenen Fläche genehmigt werden könne. Und auch darum, wer die vermutlich vier- bis fünfgeschossigen Wohnblocks baut.
Gespräche mit Investor laufen bereits
„Mit dem Senatsbeschluss als Grundlage könnte das klappen“, sagte Dornquast am Freitag auf Nachfrage. Wer baut, mochte er nicht ausführen. Nur so viel: „Die Stadt Hamburg selbst tritt definitiv nicht als Bauherr auf.“ Und: „Vom Senat werden bereits Gespräche mit einem Investor geführt.“
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