Neuengamme
(ten).
Ob Museum, technisches Denkmal oder Gedenkstätte: Nur über den unermüdlichen Einsatz engagierter Menschen bleibt Geschichte lebendig. Heidburg Behling (75) gehört zu diesem Kreis. Sie wirkt in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die wie 15 weitere Institutionen zur "Museumslandschaft Bergedorf" gehört.

Als die frühere Latein- und Religionslehrerin 1978 von Stuttgart nach Hamburg wechselt, gibt es die heutige Gedenkstätte am Jean-Dolidier-Weg noch gar nicht. Ihre erste Begegnung mit dem Ort des früheren Lagers hat etwas Konspiratives. Ein Lehrerkollege, selbst in der Aufarbeitung deutscher Geschichte engagiert, nimmt sie nach Neuengamme mit. Als Geograf trägt er "wichtige" Rollen unter dem Arm und verschafft den beiden Zutritt zum Stichkanal und zum früheren Klinkerwerk. Es sei damals an eine Landwirtschaftsfirma Mengele vermietet gewesen, erinnert sich Heidburg Behling. Ein Familienname, der in Erinnerung an die Gräueltaten des KZ-"Arztes" Josef Mengele zusammenzucken lässt. Auch bei Heidburg Behling hinterlässt der Besuch Spuren.

"Man hat erst einmal einfach nur Wut", sagt sie. Wut über das "größenwahnsinnige Projekt" damals im Krieg, mit den Klinkern aus Neuengamme ein herrschaftliches Hamburg zu schaffen. Wut darüber, zu "welcher Unmenschlichkeit Menschen fähig waren", da sich Tausende in dem Werk zu Tode schufteten. Und Wut über die "Geschichtsvergessenheit und Verdrängung" angesichts der damals aktuellen Nutzung des Werks.

Doch Heidburg Behling weiß ihre Wut sinnvoll zu kanalisieren. Sie engagiert sich vielfältig, schließt sich unter anderem der Initiative für eine Dokumentationsstätte KZ Neuengamme an. "Ich gehörte vor 25 Jahren wohl zu den Gründungsmitgliedern des Freundeskreises KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Ich bin da so hineingewachsen", sagt sie bescheiden.

Heidburg Behling hat so nicht nur daran mitgewirkt, dass die Gedenkstätte zu dem wurde, was sie heute ist. Sie begleitet zudem seit Jahrzehnten ehemalige Häftlinge und Zwangsarbeiter, die Hamburg besuchen, und Freiwillige, die über die "Aktion Sühnezeichen" in Neuengamme mitarbeiten. Derzeit betreut sie zwei junge Frauen aus Russland und Bosnien-Herzegowina, die sich unter anderem um die Korrespondenz mit osteuropäischen ehemaligen Häftlingen kümmern.

Die Begegnung mit Überlebenden bestärkt Heidburg Behling immer wieder in ihrem Engagement. Sie selbst war noch ein Kind, als der Holocaust deutsche Geschichte schrieb, "doch ich kann mich nicht davon trennen, was deutsches Handeln angerichtet hat", sagt sie.

Sie ist dankbar, dass Überlebende ihr die Hand reichen, erinnert sich beispielsweise an Herbert Schemmel, der in Sachsenhausen und Neuengamme gelitten hat. Der frühere Lagerschreiber des KZ Neuengamme überlebte die Qualen nur knapp. Als Mitautorin eines Werks über den "Mahner gegen das Vergessen" berichtet Heidburg Behling unter anderem über unvorstellbare Grausamkeiten. So überlebten nur er und ein weiterer Häftling die Erstickungs-Folter: Sie waren einen Tag lang mit 16 weiteren Häftlingen in eine enge Besenkammer eingesperrt, deren Ritzen mit Lappen abgedichtet worden waren.

Herbert Schemmel hat als Lagerschreiber des KZ Neuengamme viele Mithäftlinge vor dem sicheren Tod bewahrt, indem er beispielsweise Daten änderte - heimlich und selbst in Todesgefahr. Nach dem Krieg war er ein wichtiger Zeuge und Chronist. Herbert Schemmel war lange Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme und kämpfte für eine würdige Gedenkstätte in Neuengamme. Er starb 2003.

"Jetzt ist es unsere Aufgabe, die geerbte Wahrheit weiterzugeben", sagt Heidburg Behling. So wird sie sich weiter engagieren und tun, was wichtig ist: "Gegen das Vergessen kämpfen."