Von Lena Diekmann

Neustadt/Vierlande.
Trachten und historische Schnitte haben Nora Pauline Schütz schon immer fasziniert. Auf der Suche nach Inspiration für ihre Bachelor-Arbeit im Studiengang Modedesign an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) stieß die junge Designerin in der Bibliothek auf das Buch des Vierlanden-Malers und Dokumentars Hermann Haase - ein wahrer Glückgriff. "Die Schönheit und Ästhetik der Zeichnungen haben mich sofort beeindruckt", sagt die 24-Jährige. In den Zeichnungen gebe es häufig noch mehr zu entdecken als in Fotos. "Mit den vielen Details und Mustern sind sie noch lebendiger", sagt Nora Pauline Schütz.

Das Thema für ihre Bachelor-Arbeit war gefunden: Vierlande. Erst danach wurde der in Braunschweig aufgewachsenen jungen Frau bewusst, dass die Heimat der Trachten gar nicht weit entfernt von ihrer Hochschule liegt. Sie schnappte sich ihr Fahrrad, radelte von ihrer Wohnung in der Neustadt hinaus aus der City, am Deich entlang zum Rieck-Haus, um ein Gefühl für Landschaft und Leute zu bekommen.

Einer der letzten Ausflüge der Designerin, bevor sie sich gut drei Monate lang nur noch ihren Schnitten, Stoffen und Zeichnungen widmete. "In der Zeit habe ich von morgens bis abends durchgearbeitet, genäht und wieder verändert. Es war ein ständiger Prozess", sagt sie. Ein Prozess, der sich gelohnt hat: Sechs Outfits, jeweils drei für Damen und drei für Herren, hat Nora Pauline Schütz in Anlehnung an die Vierländer Tracht entwickelt. Als Abschlussnote gab es dafür eine glatte 1,0.

Das erste Outfit für beide Geschlechter orientiert sich an der Arbeitstracht. Um die ursprüngliche Verwendung in der Landwirtschaft aufzugreifen, verwendete Nora Pauline Schütz hierbei vor allem grobe Materialien wie Kartoffelsäcke und Nessel. "Auf den ersten Blick roh und rau, ist es doch ein stimmiges Kleidungsstück", sagt die Modeschöpferin. Je feiner die Outfits, umso edler wurde auch der Stoff - mit grobem Leinen, Jeans oder beschichteter Seide. Die Hochzeitstracht erscheint dadurch knittrig, gar pergamentartig zu sein.

Die Schnitte orientieren sich ganz stark am historischen Original. Besonders häufig, ob beim Herrn oder auch in verlängerter Form als Mantel bei der Dame, kommt der Schnitt der Herrenweste zum Einsatz. Markant daran ist, dass die Seitennaht ins Rückenteil verlegt ist. "Ein Detail, auf das man heute nicht unbedingt kommt, das aber noch immer super funktioniert", sagt Nora Pauline Schütz. Denn durch die Naht im Rücken schmiege sich das Kleidungsstück sehr gut an die Körperform. "Es waren schon damals ausgeklügelte Schnitte. Sie treffen noch heute den Zeitgeist", sagt Nora Pauline Schütz.

Um die Stücke noch interessanter zu machen, arbeitete sie viel mit der Sticktechnik "Smoken": "Dabei näht man mit großem Stich und zieht den Faden am Ende zusammen", sagt sie. Dadurch entstehen dekorative Fältchen.

Genau diese kreative Arbeit mit den Händen ist es, die der 24-Jährigen am Modedesign gefällt. "Nur am Computer zu sitzen und virtuell Kleidungsstücke zu entwickeln würde mich nicht erfüllen", sagt sie. Der Weg zu ihrem Traumjob wird hart, dessen ist sich die 24-Jährige bewusst. Doch sie ist bereit, ihn zu gehen, ein eventuelles Masterstudium soll erst später folgen. "Ich will nicht weiter in der Blase des Studiums sein, sondern raus in die echte Modewelt", sagt Nora Pauline Schütz. Flexibilität ist dafür ein absolutes Muss: "Paris oder London. Ich glaube, es wird nicht Deutschland", sagt die Designerin.