Von Thomas Heyen

Moorfleet.
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Moorfleet (AGM) sind verärgert. Sie wollen ihr Dorf "lebenswert erhalten", fühlen sich aber oft außen vor - etwa wenn es darum geht, sich bei der "Städtebaulichen Voruntersuchung Moorfleet" einzubringen oder konkrete Missstände wie das Fehlen eines Unterstandes am Brennerhof abzubauen.

"Wir investieren viel Energie und Zeit, fühlen uns aber manchmal nicht ernst genommen", sagt Peter Voß, Vorsitzender der AGM. Er und seine Mitstreiter ärgern sich darüber, dass sie nicht in die "Städtebauliche Voruntersuchung Moorfleet" einbezogen wurden, "obwohl uns dies zugesagt wurde", betont Voß. Die Studie war von der Bergedorfer Bezirksversammlung in Auftrag gegeben worden. Christian Pogoda hatte die Ergebnisse im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Sein Fazit: "Moorfleet ist eindeutig keine Potenzialfläche für Wohnungsbau." Lärm, Altlasten im Boden und schlechte Luft in Hamburgs Abluftfahne waren einige der Argumente.

Die AGM-Mitglieder, die seit Jahrzehnten in Moorfleet leben, können die Ergebnisse nicht nachvollziehen. "Leben wir hier nur in Schmutz und Lärm?", fragt Voß.

Harald Martens, ebenfalls in der AGM und - wie Voß - Mitglied des Regionalausschusses, verweist darauf, dass es kaum einen Bereich in Hamburg gebe, der besser von der Stadt auf Umweltschäden hin kontrolliert werde als Moorfleet. Der Grund dafür sind die Umweltschäden, die jahrzehntelang von der Firma Boehringer Ingelheim angerichtet wurden, bis das Werk 1984 schließen musste.

Bis heute befinden sich mehr als 100 Tonnen Dioxin und andere Umweltgifte tief im Boden und im Grundwasser unter der 85 000 Quadratmeter großen Freifläche an der Andreas-Meyer-Straße. In einer sogenannten Fahne - Grundwasserströme außerhalb des früheren Boehringer-Geländes - hat sich das Gift im Boden bis zu einen Kilometer weit verteilt.

"Leider wurden wir nicht beteiligt, als es um das zweite Sanierungskonzept ging. Vom Bezirksamt bekam ich bloß eine Infobroschüre über die 'Sicherung des ehemaligen Werksgeländes' des zuständigen Ingenieurbüros ausgehändigt", sagt Voß.

Im Februar 2015 einigte sich Boehringer mit der Stadt und Umweltverbänden auf eine beschleunigte Sanierung ab 2016. Zwei weitere Brunnen sollen errichtet werden, die das vergiftete Grundwasser hochpumpen, damit es anschließend gereinigt werden kann. Bis 2054 soll das verunreinigte Grundwasser aus dem Boden entfernt sein. Der Schadstoff-Abbau soll aber weiter überwacht werden - bis 2094. Die AGM plant nun einen eigenen Infoabend zur Boehringer-Sanierung.

Martens wundert sich über die Vorgehensweise der Behörden: "Es gibt hier engagierte Bürger. Warum werden die nicht eingebunden?" Dies sei schlechter Stil - den die AGM schon lange gewohnt sei. Martens: "Wir haben die ersten Infoabende zu den Flüchtlingen an der Sandwisch und dem Neubau des Kompetenzzentrums organisiert, nicht die Stadt oder der Bezirk."

Beim Bau des Kompetenzzentrums seien laut den AGM-Sprechern Zusagen nicht eingehalten worden. So sollte ein zentraler Fußweg, der dem Neubau weichen musste, durch einen Weg zwischen Brennerhof und Moorfleeter Kirchenweg ersetzt werden. Geschehen sei nichts.

Als "Kampf gegen Windmühlen" betrachten Voß und Martens auch ihr Engagement für den Wiederaufbau des Unterstandes neben der Bushaltestelle am Brennerhof. Er war im Zuge des Kompetenzzentrum-Baus entfernt worden. Weil die Verwaltung an die Umweltbehörde verwies, die wiederum an die Hochbahn, und das alles nach über einem Jahr ohne Ergebnis, hat Martens nun Bürgermeister Olaf Scholz angeschrieben.

Die Geschichte sei "traurig und desillusionierend", formuliert der Genosse in dem Brief. Die Sozialdemokraten und ihre Verwaltung seien nach wie vor hervorragend darin, dem Bürger zu erklären, wer nicht zuständig ist. Voß, der sich früher in Schleswig-Holstein politisch engagierte, vermisst das hohe Maß an Eigenverantwortung. "In einem Stadtstaat gibt es mehrere Ebenen, ist dadurch vieles aufwendiger und komplizierter."