Von Thomas Heyen

Moorfleet.
Isabel Schiffler besucht fast jeden Abend ein Konzert. Doch die 44-Jährige bekommt jeweils nur die ersten drei Lieder mit - vom sogenannten "Graben" aus. Nachdem sie alles "im Kasten" hat, arbeitet sie sich mit ihrer bis zu 20 Kilogramm schweren Ausrüstung durch die Halle oder den Club. Oft versendet sie ihre Bilder, nur wenige Minuten nachdem sie sie geschossen hat, per Laptop. Denn ihre Kunden - Zeitungen und Bildagenturen - benötigen die Fotos von Weltstars und Indie-Bands meistens schnell. Sie sollen am nächsten Tag in der Zeitung sein. "Dann bricht einem schon mal der Schweiß aus, wenn ein Konzert mit Verspätung beginnt", sagt Isabel Schiffler. Doch meist bleibt sie cool. Schließlich arbeitet die Moorfleeterin seit 13 Jahren als freiberufliche Konzertfotografin.

Außerdem betreibt sie in der alten Bäckerei am Moorfleeter Deich 97 das Jazz Archiv Hamburg mit gut zwei Millionen Dias. Auf Festplatten sind etwa 500 000 Digitalbilder gespeichert.

Die Dias stammen zum Großteil von ihrem Vater, Hardy Schiffler, dem Gründer des Archivs. Seit seinem Tod im Jahr 2002 verwaltet Isabel Schiffler diesen Schatz und setzt die Arbeit ihres Vaters fort. "Die alten Archivbilder sind allerdings kaum noch gefragt", sagt die 44-Jährige.

Bis zu neun Konzerte am Abend mutete sich Hardy Schiffler zwischen 1973 und 1997 zu. So viele Auftritte spult Isabel Schiffler an einem Abend nicht ab - es sei denn, sie fotografiert auf einem Festival wie Wacken oder Hurricane. Nur sehr selten bleibt sie nach ihrer Arbeit - fotografiert werden darf in der Regel nur während der ersten drei Lieder und ohne Blitz -, um das Konzert zu erleben. "Das habe ich nur bei meinen Lieblingskünstlern wie Peter Gabriel und AC/DC gemacht", sagt sie.

Noch lieber hält sich die 44-Jährige in Afrika auf. "Dorthin reisen mein Freund und ich jeden Winter. Wir sind dann mit Zelt und Jeep in der Wildnis unterwegs. Das ist spannend. Einmal wurden wir von Nilpferden gejagt", sagt Isabel Schiffler. In Bergedorf springt sie gern in einen der Badeseen, geht Reiten oder ins Sportstudio - "zum Rückentraining. Denn das Schleppen der schweren Kamera-Ausrüstung macht sich bemerkbar".

Hinter dem alten Fachwerkhaus, das ihr Vater 1977 kaufte, restaurierte und umbaute, befindet sich der ehemalige Schweinestall, den Hardy Schiffler neu aufbaute. Oben hat die 44-Jährige ihr Büro und das Archiv, unten befindet sich ihre Wohnung. In ihrem großen Garten sitzt die Fotografin gern mit Freunden und grillt. "Leider sind die freien Abende ja sehr selten. Dafür genieße ich tagsüber meine Freizeit."

Bis vor zwei, drei Jahren habe sie sich "für alles akkreditieren lassen" und die Bilder dann am nächsten Tag angeboten. "Inzwischen erledige ich vor allem Auftragsarbeiten. Das sind in der Regel größere, bekannte Bands." Den großen Konzertveranstaltern sendet sie jeden Monat eine Liste mit jeweils zehn Konzertwünschen - Bands, bei denen sie davon ausgeht, dass sie die Tage darauf von Zeitungen wie Bild oder Mopo den Auftrag erhält, diese Gruppen abzulichten.

Das Fotografieren werde immer schwieriger, berichtet die Moorfleeterin. "Uns Konzertfotografen werden vom Management der Musiker oft Knebelverträge vorgelegt, in denen wir unsere Rechte weitgehend abtreten sollen." Viele Künstler wollen die Bilder vor Veröffentlichung absegnen. Nicht nur einmal hat sie abgelehnt und ist vor Konzertbeginn gegangen.

Inzwischen fotografiert auch Isabel Schifflers Freund (46) gern. "Dem habe ich alles beigebracht", sagt sie und lacht. "Bei Festivals ist er gern mit dabei. Dann fotografieren wir beide." Was ihre Fotos auszeichnet? "Mir wird ein gutes Gespür für den richtigen Moment bescheinigt, dass die Bilder nicht nur technisch einwandfrei, sondern auch 'lebendig' seien", sagt Isabel Schiffler.