Von Wiebke Schwirten

Neuengamme.
Den 30. Mai 2014 werden Lothar Molter (67), Ady Steffens (66) und Torsten Kröger (49) nie vergessen. Er ist für Lothar Molter zu seinem zweiten Geburtstag geworden und verbindet ihn für immer mit seinen Lebensrettern.

Keiner der drei weiß an diesem Morgen, dass er den anderen begegnen wird. Ady Steffens versorgt am Neuengammer Hinterdeich gerade seine Kühe auf der Weide, Torsten Kröger verstaut seine Einkäufe in den Kofferraum und Lothar Molter biegt mit seinem Rad in den Neuengammer Hinterdeich ein, als das Schicksal schon anfängt, seine Fäden zu spinnen.

"Na, den Tank wieder auffüllen?", ruft Ady Steffens dem Radler aufmunternd zu, der an einem Laternenpfahl lehnt und zu seiner Wasserflasche greift. "Aber der reagierte gar nicht", erinnert sich der frühere Wehrführer der FF Neuengamme. Na, dann eben nicht, denkt sich der 66-Jährige, steigt in seinen Caddy und fährt los. Auch Torsten Kröger sitzt jetzt in seinem Auto, fährt auf dem Heinrich-Stubbe-Weg nach Hause. Ady Steffens sieht beim Blick aus dem Seitenfenster, dass Lothar Molter kaum auf sein Rad aufsteigen kann. Der Radler rollt nur ein kleines Stück weiter - und kippt um.

Sofort schaltet Steffens die Warnblinkanlage ein, setzt zurück. Da knallt es. Eine Frau hat das Manöver zu spät gesehen, fährt auf. In dem Moment passiert Torsten Kröger die Stelle. Der Oberbrandmeister bei der FF Krauel kennt Ady Steffens. "Und ich habe in seinem Blick sofort gesehen, dass etwas passiert ist. Er schaute nicht zum Unfall, sondern zur Weide", erinnert sich Torsten Kröger. Beide zögern keine Sekunde, fahren zur Auffahrt der Weide und sehen Lothar Molter, der leblos vor ihnen liegt.

Die Männer fühlen am Handgelenk nach dem Puls. Nichts. Kein Atem streift das offene Auge, das Ady Steffens zur Prüfung nah an den Mund des Radlers hält. Keine Vitalfunktion, kein Kreislauf, nichts mehr.

Doch Ady Steffens überstreckt den Kopf von Lothar Molter, beginnt mit der Mund-zu-Mund-Beatmung. Torsten Kröger legt seine Hände auf den Brustkorb des Radlers, drückt entschlossen, kräftig und regelmäßig. Später wird sich herausstellen, dass dabei einige Rippen brechen. 30 Mal Herzdruck, zwei Mal beatmen. Nur nicht nachlassen mit diesem lebensrettenden Rhythmus.

Dass die Kameraden von der Freiwilligen Feuerwehr Neuengamme binnen kürzester Zeit am Unfallort sind und auch der Hubschrauber mit dem Notarzt schnellstens landet, ist Ady Steffens zu verdanken. Denn ein geschockter Passant sieht sich außerstande, 112 zu wählen. Er gibt dem Lebensretter sein Handy, der einen perfekten Notruf absetzt - gelernt ist gelernt. "Ich habe gleich gesagt, was passiert ist, dass ich Wehrführer war und die Neuengammer alarmiert werden müssen", sagt Steffens. Er ist zu recht stolz darauf, dass der Notarzt später ein Fax sendet, in dem er sich ausdrücklich für die perfekte Ersthilfe und Arbeit der FF Neuengamme bedankt. Vor Kurzen freuten sich beide Helfer zudem über höchste Feuerwehrauszeichnungen: Torsten Kröger erhielt vom Verband das Feuerwehr-Ehrenkreuz in Bronze, Ady Steffens die silberne Ehrennadel des DFV für lebensrettende Leistungen bei Einsätzen.

"Ich erinnere nichts mehr", sagt Lothar Molter heute. Nicht wie er stürzte, nicht wie er beatmet wurde, nicht wie er ins Krankenhaus St. Georg kam. Einen Herzinfarkt und drei Stents später wacht er aus dem Koma wieder auf. "Da wusste ich noch nicht einmal, dass ich ein Rad habe", erinnert sich der pensionierte Hauptkommissar aus Neuallermöhe, der seit Jahrzehnten sportlich in die Pedale tritt.

Doch seine Ehefrau war unterdessen nicht untätig gewesen, hatte die Lebensretter "ermittelt". Lothar Molter ist ihnen unendlich dankbar: "Ohne die beiden gäbe es mich heute nicht mehr." Die Männer sehen sich auch heute noch, laden sich gegenseitig bei Familienfeiern ein. Seinen "zweiten Geburtstag" feiert Lothar Molter nun jeden 30. Mai - gemeinsam mit der Enkelin, die vor sechs Jahren an diesem Datum zur Welt gekommen ist.

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* Die gelungene Lebensrettung ist auch eine Reverenz an die Freiwilligen Feuerwehren in den Vier- und Marschlanden, die ihre Mitglieder entsprechend kompetent für die Erstversorgung ausbilden und im Notfall schnell zur Stelle sind. Wer sich bei ihnen engagieren möchte, ist herzlich willkommen. Infos zu allen Wehren gibt es im Internet: