Von Wiebke Schwirten

Zollenspieker.
Wo bei anderen jetzt die Vorfreude auf den Urlaub steigt, da hat Gunther Niemann ihn schon hinter sich. Doch ein Urlaub im eigentlichen Sinne war die Zeit diesmal nicht. Schon häufiger hat es den Kulturmanager vom Zollenspieker Fährhaus für Trekking-Touren ins ferne Nepal gezogen. Doch diesmal verbrachte der 63-Jährige dort vier Wochen, um den Menschen zu helfen. Sie sind nach dem schweren Erdbeben Ende April in Not. Es mangelt an allem: Wohnraum und Nahrung, an medizinischer Versorgung und Zuspruch.

Gemeinsam mit nepalesischen Freunden hat sich Gunther Niemann im Gorkha-Distrikt engagiert. Insgesamt 8000 Euro waren an Spendengeldern innerhalb kürzester Zeit zusammengekommen. "Das ist einfach großartig", sagt Niemann und dankt jedem Einzelnen - ob er fünf Euro gab oder 900. Etwa 170 Familien konnte er mit Reis, Gemüse und Sojamilch unterstützen. Moskitonetze und Zelte standen ebenso auf der Einkaufsliste wie Bücher, Hefte und Stifte. Letztere wurden von Kindern und Lehrern jubelnd in Empfang genommen. Nachdem ihre Schule eingestürzt war, konnten sie zwar in einem Militärzelt Unterschlupf finden. Doch Lernmaterial gab es nicht - bis Gunther Niemann kam.

Ergreifende Szenen spielten sich in den Dörfern ab. Ein alter Mann umarmte ihn fest und sagte: "Hier ist noch niemand gewesen, und da kommst du aus Deutschland und bringst mir Reis." Gunther Niemann verband Wunden, linderte Schmerzen, tröstete, hörte zu. Einen seit Jahren verkrüppelten Mann vermochte allerdings auch er nicht wieder mobil zu machen, denn Rollstuhl oder Trage taugten in dem vom Erdbeben zerwühlten Gelände nicht. Doch der Mann war mit etwas ganz anderem glücklich zu machen: "Er wünschte sich Lesestoff. Da habe ich ihm natürlich Bücher gekauft", erzählt Gunther Niemann.

Voller Bewunderung berichtet er von der Herzlichkeit der Menschen - und von den abenteuerlichen Busfahrten. "Da passte kein Papier mehr zwischen die Fahrgäste. Wir fuhren samt Gepäck auch außenbords und auf dem Dach mit." Die Fahrer seien die besten der Welt. Geschickt meisterten sie gefühlt badewannengroße Löcher auf den holperigen Wegen, zogen auf schmalster Strecke millimetergenau aneinander vorbei, ohne Schramme und Rechthaberei.

Demut vor der Natur lehrten Nachbeben. "Ich schlief im Zelt, als nachts gegen 3 Uhr unter mir eine Welle über meinen Rücken rollte. Es fühlte sich an wie eine starke Massage", erinnert sich Niemann. Er sauste aus dem Zelt, das Beben verebbte. Doch die Anspannung blieb: "Man konnte nie wissen, ob nicht noch mehr kommen würde." In Kathmandu war er gerade im dritten Stockwerk eines Hauses, als er ein Schwanken spürte und mit den anderen hinauslief. Das gab eine Ahnung, wie es bei dem großen Beben gewesen sein musste. Eine ganz kleine Ahnung.

Das Erlebte hat Spuren hinterlassen. Zu Hause versucht sich Gunther Niemann nun von den Strapazen der vier 100-Stunden-Wochen zu erholen. Nachdenklich sagt er: "Dort hat jetzt der Monsunregen eingesetzt. Ich hoffe inständig, dass die Menschen ihn gut überstehen und sie danach zur Ruhe kommen können, wieder Normalität einkehrt." Natürlich hält er weiter Kontakt zu seinen nepalesischen Freunden. Wer auch etwas für die Region tun möchte, kann sich bei Gunther Niemann informieren, Telefon (040) 18 04 14 78.