Von Lena Diekmann

Neuengamme.
Als britische Truppen am 3. Mai 1945 in das Konzentrationslager Neuengamme einmarschierten, gab es zunächst keine Anzeichen dafür, was sich dort in den vergangenen Jahren für Gräueltaten abgespielt hatten. Die Nazis hatten sich auf die vorrückenden Truppen der Alliierten vorbereitet und im April das Lager räumen lassen. Wenige Häftlinge, die die Nazis nicht völlig entkräftet auf einen Marsch in den Tod geschickt hatten, mussten die Galgen, Stricke und sämtliche Akten vernichten.

Doch einige Dokumente versteckten Gefangene unter Dielen in einer Baracke und trugen somit einen Teil dazu bei, dass die Verbrechen im Lager und die Namen der Opfer und ehemaligen Häftlinge rekonstruiert werden konnten. Nach 70 Jahren kehren nun 68 Zeugen im Alter zwischen 84 und 101 Jahren an den Ort zurück, wo sie einst gequält, gefoltert und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden.

"Die Widerbegegnung mit dem Ort ist für die Überlebenden ein starkes emotionales Erlebnis. Vielen ist es wichtig, dass auch ihre Familien den Ort sehen", sagt Dr. Detlef Garbe, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. So werden auch rund 400 Angehörige dabei sein, die auf eigene Kosten aus insgesamt 20 Ländern, darunter die Niederlande, Russland, Israel, USA oder Kanada, anreisen.

Bis zur gewollten Konfrontation mit der Vergangenheit mussten erst einige Jahre vergehen: "Die Menschen mussten erst mal gesundheitlich wieder auf die Füße kommen und im Leben landen", sagt Dr. Detlef Garbe. Sie haben sich in den Beruf gestürzt, Familien gegründet und verdrängt, was gewesen ist. Auch um ihre Kinder nicht zu belasten. "Im Rentenalter fingen dann viele an, zurückzublicken und die Vergangenheit aufzuarbeiten", sagt Dr. Detlef Garbe.

Das KZ Neuengamme war das größte nationalistische Konzentrationslager in Nordwestdeutschland. Mehr als 100 000 Menschen aus ganz Europa im Hauptlager und in mehr als 85 Außenlagern inhaftiert. Mindestens 42 900 Häftlinge haben nicht überlebt. "Es ist wohl das größte Verbrechen, das die hamburgische Geschichte kennt", sagt Dr. Detlef Garbe.

Trotzdem ist Neuengamme im Vergleich zu anderen großen Lagern wie Auschwitz oder Buchenwald bei der deutschen Bevölkerung weniger bekannt. Das mag daran liegen, dass das Lager bei der Befreiung geräumt war, es keine Schreckensbilder von fast verhungerten Häftlingen und Leichen gibt. "Das Bildgedächtnis prägt sehr stark", sagt Dr. Detlef Garbe. Auch die Tatsache, dass das Gelände nach dem Krieg als Gefängnis genutzt wurde, habe dazu beigetragen, dass man einfach vergessen wollte, was dort einst gewesen ist, so Garbe.

Für den 70. Jahrestag der Befreiung des Lagers haben die Mitarbeiter der Gedenkstätte noch einmal alle noch lebenden Zeitzeugen eingeladen. "Doch der Großteil der 600 Menschen ist mittlerweile zu betagt, um anreisen zu können", sagt Dr. Detlef Garbe.

Nur ganz wenige hätten von vornherein abgelehnt, noch einmal nach Neuengamme zurückzukehren. "Auch wenn ich ihre Arbeit sehr schätze, Deutschland hat sich noch nicht bei mir entschuldigt", lautete eine der Absagen. Damit aber auch die, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands nicht selbst kommen können, die Gedenkveranstaltung am 4. Mai erleben können, wird sie im Livestream im Internet übertragen.

Die SPD Hamburg fährt mit zwei Bussen zur Gedenkveranstaltung am 4. Mai. Verbindliche Anmeldung bis zum 28. April an
oder telefonisch unter 280 84 80.