Alwin Esser wurde 1933 ermordet - Sein Enkel stellt Fragen

Bernhard Esser hatte alle Zuhörer tief berührt mit seiner öffentlichen Rede am Mahnmal in Neuengamme. Sein Onkel Alwin Esser war 1933 im Konzentrationslager Fuhlsbüttel von der Gestapo erschlagen worden. Der Neffe berichtete von Dr. Ulrich Schnapauff, der den Mord als Selbsttötung durch Strangulation dokumentierte.

Erst ein Jahr später erfuhr der Sohn des Arztes, ebenfalls mit Namen Ulrich Schnapauff, von dem Artikel in unserer Zeitung und der Rede von Bernhard Esser, die 2012 ins Internet gestellt worden war. Seither versuchte er, den Ruf seines Vaters zu verteidigen - inklusive aggressiver Briefe an Bernhard Esser.

Der heute 70-jährige Bernhard Esser sagt: "Ich war zunächst sehr betroffen." Denn er hatte nur wiedergegeben, was er von Großmutter und Vater wusste. So auch den als Kind erlebten Wutausbruch des sonst so sanften Vaters Rudolf Esser, als der 1951 erfuhr, "dass der KZ-Arzt Ulrich Schnapauff seine Arztpraxis in Fuhlsbüttel wieder eröffnen durfte".

Rudolf Esser war 1933 gemeinsam mit seinem Bruder Alwin verhaftet worden. Er hatte miterlebt, wie ein "Kommando zur besonderen Verwendung" dem Bruder den Schriftzug "Nieder mit Hitler und Reichstagsbrandstifter Göring" auf die Stirn stempelte. Er erlebte, wie der Bruder später von SA-Leuten im Konzentrationslager Fuhlsbüttel auf den gestempelten Kopf geschlagen wurde, mit der Faust und gedrehten Handtüchern. Einen Tag später war Alwin Esser tot.

Bernhard Esser nannte in seiner Rede in Neuengamme Dr. Schnapauff in einem Atemzug mit alten "Nazis, (die) wieder aus ihren Löchern krochen und einflussreiche Positionen in Politik, Justiz und im gesamten öffentlichen Leben einnahmen". Der Sohn des Arztes verwahrte sich gegen die "durch nichts gerechtfertigte Beleidigung". Er beschrieb seinen Vater als durchaus emphatischen, gewissenhaften Mediziner, forderte die Zurücknahme der Behauptungen, drohte mit strafrechtlichen Konsequenzen. Konflikte, die es auch mit anderen Hinterbliebenen von Opfern sowie Historikern gab, die sich mit den damaligen Verhältnissen im Lager befassen.

Umfangreiche Recherchen und neue Aktenfunde lassen laut Dr. Reimer Möller von der Gedenkstätte Neuengamme keinen Zweifel daran, dass im Konzentrationslager Fuhlsbüttel mit Falschbeurkundungen brutalste Misshandlungen des Wachpersonals vertuscht wurden und dieses Vorgehen der Mediziner Methode hatte. So habe es eine Verabredung zwischen Gauleiter, Justizsenator, Generalstaatsanwalt und Leiter der Hamburger Gestapo gegeben, dass die Leichen von "Selbstmördern" aus dem Lager ohne die gesetzlich vorgeschriebene Einschaltung der Justizbehörden verbrannt wurden. Auch Dr. Schnapauff habe mit Falschbeurkundung Fremdverschulden vertuscht.

In öffentlicher Runde wollen Bernhard Esser und Dr. Reimer Möller im Gespräch mit Christine Eckel von der Arbeitsgemeinschaft Neuengamme die Umstände der Ermordung Alwin Essers nun in Hamburg darstellen. Sie fragen zudem am Beispiel des umstrittenen Arztes Ulrich Schnapauff nach den juristischen Folgen der Morde im Konzentrationslager Fuhlsbüttel und beleuchten die heutige Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen in der Gesellschaft und den Familien.

"Die Geschichte einer Todesbescheinigung": Vortrag und Diskussion beginnen morgen um 19.30 Uhr im Centro Soziale, Sternstraße 2.