Abgelehnt: Sabine Reyer darf verhüllte Barbies in der Finanzbehörde nicht zeigen

Sabine Reyer (59) aus Kirchwerder ist eine vielseitige und viel gefragte Künstlerin. So verwundert es nicht, dass ihre Arbeiten für die 25. Ausstellung "Kunst im Gange" in der Finanzbehörde ausgewählt wurden, die am 5. Februar unter dem Titel "Herzliche Grüße" eröffnet wird. Allerdings wurden zwei Werke nicht zugelassen. Sie hätten einen stark politisch/religiösen Inhalt und könnten bei "Betrachtern, insbesondere Angehörigen muslimischen Glaubens für Irritationen bis hin zu möglicherweise verletzten Gefühlen" sorgen, so das Kuratorium.

Für Sabine Reyer ist die Ablehnung eine Vorzensur und "vorauseilender Gehorsam." Es geht um die Kunstwerke "Integration" und "Sheltered Positions, Part 2". Sie zeigen Fotografien von Barbiepuppen, die sich in verhüllte Wesen verwandeln, sowie Porträts und Ganzkörperansichten verhüllter Barbies. Die Installation "Zufluchten - Sheltered Positions" mit 100 schwarz verhüllten Barbies und die Fotoreihe Part 2 wurden bereits mehrfach ausgestellt, unter anderem im Bergedorfer Schloss und bei der Ruhrbiennale in Dortmund. Ein Pressefoto davon ging um die ganze Welt "und wurde auch in islamischen Ländern gezeigt", sagt die Künstlerin.

Das Kunstkuratorium fürchtete Konflikte mit der Öffentlichkeit, da diese annehmen könnte, die politisch/religiösen Aussagen der Arbeiten von Sabine Reyer seien auch die der Behörde. "Dann kann man fast gar nichts mehr machen, wenn man schon im Vorwege für mögliche Gefühle anderer verantwortlich gemacht wird", sagt Sabine Reyer. Sie erinnert sich an einen Fall einer Künstlerin, die in Oberhausen in einem öffentlichen Gebäude Bilder wieder abhängen musste, weil darauf nackte Frauenbrüste zu sehen waren. Der Journalist Peter Szymaniak habe daraufhin geschrieben: "Nun wird kurioserweise argumentiert, dass man im öffentlichen Raum sehr sensibel sein müsse, wenn man Kunstwerke aufhängt, in privaten Räumen seien solche Bilder ja kein Problem. Freiheit und Toleranz dürfen also noch in eigenen Wohnzimmern ausgelebt werden, aber nicht in Rathäusern, auf Straßen und Plätzen? Unsere Werte sind doch gerade die Basis fürs öffentliche Leben, dort beweist sich, ob Toleranz und Freiheit gelten. Deshalb müssen gerade strittige Kunstwerke öffentlich hängen."

Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde, sagt: "Es handelt sich bei der Ablehnung mitnichten um vorauseilenden Gehorsam." Die Finanzbehörde sei aber als öffentlicher Raum und gleichzeitig staatliche Einrichtung zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtet. Anders als in Galerien könnte es sich nicht jeder Besucher der Finanzbehörde aussuchen, ob er sie betritt oder nicht. Bei der Auswahl der Bilder müssten auch die Interessenlagen der Mitarbeiter berücksichtigt werden, die im täglichen Kontakt zu den Bildern stünden. Zudem würden die Betrachter mit der Wahrnehmung der Werke allein gelassen, gebe es keine Einordnung etwa durch Kuratoren. Schließlich handele es sich beim Kunstkuratorium der Behörde nicht um professionelle Kunstexperten, sondern engagierte Kollegen mit individuellem Kunstgeschmack. Das Kuratorium behalte sich vor, einzelne Ausstellungsstücke nicht zu berücksichtigen.

Sabine Reyer hat sich intensiv mit dem Massenspielzeug Barbiepuppe, Werten, Individualität und Identität auseinandergesetzt. Barbies verkörperten ein bestimmtes Körper-(Frauen)-Bild, dennoch gebe es sie durch die Vielzahl der Gesichter, Haartrachten, Bekleidungsmöglichkeiten und Hautfarben in vielen Variationen. Sabine Reyer verhüllte die Attribute und stellte fest: Die Ganzkörperbekleidung wirkt "wie eine Schutzhülle vor westlichem Konformismus, die Trägerin entkommt den Anpassungsleistungen um den Preis der Unsichtbarkeit."

Der Flyer, mit dem die Behörde zur Ausstellung einlädt, zeigt auch das Werk "Submission" der Kirchwerder Künstlerin. Sie hat es in Erinnerung an das Attentat auf Theo van Gogh gestaltet, der 2004 von einem islamischen Fundamentalisten ermordet worden ist. Dazu Stricker: "Das Bild wurde unter dem Titel ,O.T' eingereicht und auf Wunsch der Künstlerin in den Flyer aufgenommen."

Die abgelehnten Arbeiten will Sabine Reyer im Anschluss an die Vernissage auf ihrer Internetseite zeigen: www.sabinereyer.de.