Sendetechnik ist nicht mehr zeitgemäß - Programmangebot bleibt aber erhalten

Auf dem NDR-Gelände am Unteren Landweg ist gestern Rundfunkgeschichte geschrieben worden. Der Sender hat die Ausstrahlung seines Programms auf der Mittelwelle eingestellt. Zeitgleich wurden die Sendeanlagen in Hannover, Lingen, Flensburg und der größte Sender in Moorfleet um neun Uhr abgeschaltet. "Das ist schon ein historischer Moment", findet Bernd Mädge, Technischer Leiter der Sendergruppe Nord. "91 Jahre haben wir in Hamburg auf der Mittelwelle, zuletzt auf 972 kHz, gesendet. Damit ist nun heute Schluss."

Gemeinsam mit seinem Kollegen Wolfgang Regge von der Abteilung Sendertechnik drückt Mädge um Punkt 9.00 Uhr den roten "Not-Aus" Knopf an der Transradio-Senderanlage. Mit einem deutlichen Knacken schalten die Relais den 100-Kilowatt-Sender ab. Vom Nachbarraum aus wird auch der Mittelwellen-Sender in Flensburg heruntergefahren, per Mausklick ferngesteuert über den Leitstand. Aus den Empfängern, mit denen die Techniker die Sendung überwachen, tönt nun nur noch Rauschen, die Nadeln der analogen Messinstrumente zeigen alle auf Null.

Für die Techniker in Moorfleet ist dies ein sichtbar emotionaler Moment. "Das ist schon ein ungutes Gefühl", gibt Wolfgang Regge zu. "Jahrelang wäre jeder Ausfall unseres Senders eine Katastrophe gewesen, und nun drehen wir unserem Baby selbst den Lebenssaft ab - das tut in der Seele weh." Aber die Technik schreite nun mal voran. Seinem Chef Bernd Mädge gelingt es besser, die Gefühle zu bändigen: "Das Programmangebot von NDR Info Spezial bleibt erhalten. Es ist künftig über moderne Verbreitungswege im Digitalradio DAB+, über das Internet, die NDR-Radio-App und über Satellit (DVB-S) empfangbar." Die Technik der Mittelwellenausstrahlung sei veraltet, die schlechte Mono-Tonqualität von den Hörern nicht mehr akzeptiert, Zusatzdienste wie RDS-Verkehrsfunk seien nicht möglich. "Bauch und Herz müssen sich irgendwann beruhigen, wenn es um die Sinnhaftigkeit geht."

Die meisten anderen Landesrundfunkanstalten haben die Mittelwelle schon beerdigt, so wie es die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) den öffentlich-rechtlichen Sendern vorgeschrieben hat. Denn allein der Sender Moorfleet verbraucht den Strom von etwa 600 Einfamilienhäusern. Der NDR spart künftig jährlich "einen mittleren sechsstelligen Betrag", der für den Ausbau des Digitalradios verwendet werden soll.

So geht nun eine Ära zu Ende. Der erste MW-Sender in Hamburg nahm 1924 den Sendebetrieb auf, die erste Antenne in Moorfleet im Jahr 1934. Nun werden von dort noch die UKW-Programme des NDR, Fernsehen und private Radioprogramme ausgestrahlt. Was mit der Mittelwellen-Antenne (184 Meter) neben der Autobahn passiert, ist noch unklar.