Oratorium: Minutenlanger Beifall - auch vom Chor

Wenn Lutz-Michael Harder Bach dirigiert, offenbaren sich die Liebe zur Kunst und Liebe zum Handwerk. Dieses Kunsthandwerk bot der Neuengammer Kantor und Organist am Sonnabend in nahezu vollendeter Form in der voll besetzten St.-Johannis-Kirche.

Unter seiner Leitung führten Gesangssolisten Tanya Aspelmeier (Sopran), Juliane Sandberger (Alt), Henning Kaiser (Tenor), Luciano Lodi (Bass), die St.-Johannis-Kantorei und das Instrumentalensemble mit Mitgliedern der Staatsphilharmonie Hamburg die Kantaten I und IV bis VI des Weihnachtsoratoriums (BWV 248) auf. Schwungvoll eröffneten die Kantorei und Orchester mit dem Eingangschor "Jauchzet, frohlocket" das Konzert.

Während draußen der Sturm "Felix" tobte und hörbar an Kirchendach und -fenster peitschte, herrschte im Gotteshaus sonderbare Weihnachtsstimmung, von vorwiegend zarten Klängen der Rezitative, Arien und Chorälen getragen. Voller Transparenz die Rezitative, die als Evangelist der kurzfristig eingesprungene Henning Kaiser sang - und der auch mit den Arien "Ich will nur dir zu Ehren leben" und "Nun mögt ihr stolzen Feinde" restlos begeisterte. Sopranistin Tanya Aspelmeier tat es ebenbürtig mit den Arien "Flößt, mein Heiland" und "Nur ein Wink", Altistin Juliane Sandberger mit "Bereite dich, Zion", der ebenso kurzfristig eingesprungene Bass Luciano Lodi mit den Bass-Arien "Großer Herr und starker König" und "Erleucht auch meine finstre Sinnen". Weihnachtlich-zart die Choräle unter Mitwirkung des Kinder- und Jugendchores (Einstudierung: Irene Harder).

Festliche Stimmung verbreiteten schwungvolle Chorsätze und der Schlusschoral "Nun seid ihr wohl gerochen" - ein kompositorisches Meisterwerk. Mit Pauken und Trompeten, beflügeltem Orchesterspiel und freudigem Gesang packten die Ausführenden das wohl schönste Ritornell aller Zeiten an. Ein ungewohntes Bild bot sich danach: Die Chorsänger überboten den minutenlangen Beifall der Zuhörer noch an Intensität und bejubelten so ihren geschätzten Chorleiter: Zum letzten Mal hat Lutz-Michael Harder, seit 1977 in Neuengamme aktiv, dort das Weihnachtsoratorium dirigiert.

Kein "Jauchzet, frohlocket", sondern der Choral "Ich steh' an deiner Krippen hier" drückte als Zugabe Demut und Dankbarkeit aus. "Ich werde nur noch einmal, am 28. Juni, ein Oratorienkonzert im Klinkerwerk leiten. Ende September erlischt mein Arbeitsvertrag in der Kirchengemeinde Neuengamme", sagte Harder.