Stadtteilschüler auf den Spuren ehemaliger junger Häftlinge - Ergebnisse kommen ins Internet

"Anderssein = Ausgrenzung?!" ist das Oberthema einer Profilklasse der Stadtteilschule Kirchwerder. Die Elftklässler beschäftigen sich ein Jahr lang mit verschiedenen Varianten der Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung von Minderheiten. Nun recherchieren die 25 Schüler im Alter von 16 bis 18 Jahren im offenen Archiv, in der Bibliothek und in der Dauerausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.

Schule und Gedenkstätte haben einen Kooperationsvertrag geschlossen, um künftig enger zusammenzuarbeiten. "Die Kooperation soll über das derzeitige Projekt der Elftklässler hinaus reichen", sagt Klassenlehrer Christopher Worm. Sein Kollege, der Geschichtslehrer Franco Topp, fügt hinzu: "Die Schüler können regelmäßig im offenen Archiv der Gedenkstätte arbeiten, kennen dort ihre Ansprechpartner." Die nahe der Schule gelegene Gedenkstätte böte sich als "außerschulischer Lernort" geradezu an, betonen die Lehrer.

Gestern ging es für die Schüler darum, aus verschiedenen Kurz-Biographien früherer Häftlinge in Neuengamme sieben auszusuchen, denen sich die Jugendlichen in Kleingruppen in den kommenden Monaten ausführlich widmen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sollen bis zu den Sommerferien im Internet zu sehen sein - auf den Seiten www.dubistanders.de.

Die Online-Ausstellung über Jugendliche in der Zeit des Nationalsozialismus wird von der Stiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin" organisiert. Junge Menschen aus ganz Deutschland beteiligen sich. "Außerdem werden die Ergebnisse der Recherchen der Schüler auf Stellwänden in der Schule ausgestellt", sagt Worm.

Die Teilnehmer erforschen die Lebens- und Leidensgeschichten junger Menschen, die im Nationalsozialismus in dem Konzentrationslager inhaftiert waren - etwa Boris Musikantik, Jahrgang 1927, aus Lettland. Er kam 1944 nach Neuengamme, weil er Partisane gewesen sein soll. "Sehr bewegend ist auch die Geschichte von Benjamin Sieradzki, einem polnischen Juden, dessen Eltern und vier Geschwister von den Nazis ermordet wurden. Er selbst hat das KZ Neuengamme überlebt", sagt Jasmin Paetzold (17). Ihre Mitschüler beschäftigen sich unter anderem mit einem Kommunisten, zwei jüdischen Schwestern und einem Swing-Kid, das für seine musikalische Vorliebe ins KZ musste.

"Wir wollen der Frage nachgehen, ab wann man anders war, welche Willkür dahinter steckte - und wie das heute aussieht", sagt Noa Helbig (16) aus Rothenburgsort. Marcel Silz (16) aus Altengamme findet den Erhalt der Gedenkstätte wichtig. "Sie mahnt uns, dass solche Verbrechen nicht noch einmal passieren dürfen." Das sieht auch Lotte Gehrken (17) aus Wentorf so. Der NS-Terror beschäftigt sie stark. "In der zehnten Klasse hatten wir eine Projektwoche zum Thema Holocaust."