Inklusion: Träger “mittendrin!“ übt Kritik

Als die Schulbehörde ankündigte, das Verfahren für die Suche von Schulbegleitern zu ändern, waren die Erwartungen groß. Einfacher und schneller sollten Eltern an einen Betreuer für ihre mit Behinderungen oder Entwicklungsstörungen lebenden Kinder kommen. Doch mittlerweile wird die Kritik an diesem Verfahren immer lauter. Nachdem vergangene Woche bereits eine Mutter aus Kirchwerder angeprangert hatte, dass es für ihren autistischen Sohn auch Tage nach Schulbeginn keinen Betreuer gebe, meldet sich nun auch der Träger "mittendrin!" aus Neuallermöhe zu Wort - mit verheerendem Urteil.

Das Problem sei nicht, dass es grundsätzlich zu wenig Schulbegleiter gebe, sagt Elisabeth Graf-Frank, Geschäftsführerin von "mittendrin!". "Das Problem ist, dass die Schulbehörde diese Arbeit nicht entsprechend honoriert", betont die 63-Jährige. Je nach Qualifizierung der Begleiter biete die Behörde unterschiedliche Kostensätze an: Für einen Freiwilligen im sozialen Jahr bekomme der Träger 10,06 Euro pro Stunde, für einen pädagogisch gering qualifizierten Begleiter 27,34 Euro und für einen studierten Pädagogen 33,20 Euro. "Von diesem Geld können wir aber keinen tariflich gebundenen und sozial gerechten Arbeitsplatz bezahlen", kritisiert sie. "Dabei gibt es für diese Berufsgruppen bereits mit der Stadt verhandelte Kostensätze, die aber von der Schulbehörde nicht anerkannt werden."

Graf-Frank weiß, wovon sie spricht. Noch im vergangenen Jahr stellte der Träger die Schulbegleiter für zwei Kinder im Bezirk. Damals genehmigte die Behörde noch höhere Kostensätze. "Aber das waren Einzelfallentscheidungen. Die gibt es heute nicht mehr", prangert sie an. Dieses Jahr stellt "mittendrin!" daher keinen einzigen Schulbegleiter.

Was aus sozialer Sicht gut für die Mitarbeiter ist, bedeutet aber auch, dass Schulbegleiter immer mehr zur Mangelware werden. Obwohl für den Einsatz von Schulbegleitern seit August das Regionale Bildungs- und Beratungszentrum (ReBBZ) zuständig ist, gehen bei "mittendrin!" regelmäßig Anfragen von Eltern ein. Ihre Freude über eine Bewilligung eines Betreuers verkehrt sich aber schnell ins Gegenteil, wenn sie eine Absage nach der anderen erhalten.

So war das auch bei der Mutter des autistischen Jungen von der Stadtteilschule Kirchwerder, die anonym bleiben möchte. Viereinhalb Jahre wurde ihr zwölf Jahre alter Sohn von einer Fachkraft des Rauhen Hauses begleitet. Kurz vor den Sommerferien teilte ihr das ReBBZ jedoch mit, dass diese die Arbeit nicht mehr fortführe. Ein Ersatz sollte schnellstmöglich gefunden werden. Doch auch Tage nach Schulbeginn war immer noch keiner vorhanden - der Junge blieb zu Hause. "Denn ohne einen Begleiter kann er nicht am Unterricht teilnehmen", so die Mutter.

Peter Friedsam, Gesamtleiter des ReBBZ Bergedorf, stellt die Situation indes anders dar. Bereits vor den Sommerferien hätten zwei potenzielle Schulbegleiter in der Schule hospitiert. Es sei aber nicht zu einer Vertragsunterzeichnung gekommen - bis jetzt. "Die Zuständigkeit für Schulbegleitungen liegt erst seit dem Sommer 2014 in Händen der ReBBZ und trotz nicht vollständigen Personalpools, sowie der dazwischenliegenden Sommerferien haben wir in fast 99 Prozent der Fälle eine Schulbegleitung zu Schulbeginn gefunden. Jetzt auch für den besagten Schüler."