Handwerkskammer: Familie Hempel rekonstruiert Fenster

An zahlreichen historischen Stätten hinterließen sie bereits ihre künstlerischen Spuren. Als das Hamburger Rathaus anlässlich seines 100-jährigen Bestehens im Jahr 1997 aufwendig restauriert wurde, rekonstruierte das Glaskunst-Atelier Hempel die Fenster des Bürgermeisteramtszimmers nach einem alten Foto, das die Entwürfe des Münchner Glasmalers Gustav van Treeck abbildete. Oder Hamburgs Wahrzeichen, der Michel: Hier restaurierten die Glaskünstler vom Achterschlag das Fenster des Hauptportals. Seit 2011 beschäftigt ein Mammutprojekt Corinna, Manuela und Adolf Hempel. Zum 100-jährigen Bestehen der Handwerkskammer im Jahr 2017 rekonstruieren sie die knapp fünf Meter hohe Fensterfront im Großen Saal nach den Originalentwürfen des Wiener Künstlers Carl Otto Czeschka.

"Wir sind froh, dass uns das Museum für Kunst und Gewerbe die Original-Kartons aus Czeschkas Nachlass zur Verfügung gestellt hat", sagt Corinna Hempel, der dieser Auftrag sichtlich Freude bereitet. Die fast 100 Jahre alten Kartons wurden abfotografiert und dienen jetzt als detailgetreue Vorlage.

Unter dem Titel "Die Handwerke" entwarf Czeschka 1915 für den Großen Saal des Gewerbehauses am Holstenwall 12 im Auftrag des Architekten Fritz Schumacher eine fast fünf Meter hohe Fensterfront. Sie besteht aus 15 einzelnen, etwa 80 Zentimeter breiten Fenstern. Diese wiederum sind jeweils in drei Elemente unterteilt.

Die 15 mittleren Fenster zeigen jeweils zwei Vertreter aus Handwerksinnungen oder Berufsvereinigungen. Die Handwerker in ihrer Arbeitskleidung stützen sich auf einen Kasten, in dem sich ihre Werkzeuge oder ihre Produkte befinden. Ergänzt werden die Mittelfenster mit den ganzfigürlichen Darstellungen unten durch 15 Ornamentfenster mit verschiedenen Handwerkszeichen und oben durch drei sich jeweils wiederholende Ornamentfenster mit dem Wappen von Hamburg, dem Heiligen Georg und der Muse des kreativen Handwerks. Die 1860 gegründete Bauglaserei Kuball realisierte Czeschkas Entwürfe im Neubau der Gewerbekammer, in den Bombennächten von 1943 wurden sämtliche Fenster zerstört.

Vor allem Hella Häussler ist es zu verdanken, dass im Dezember 2012 bereits die ersten drei rekonstruierten Fenster mit den Gewerken Schlachter und Bäcker, Buchdrucker sowie Bauhütte eingesetzt werden konnten. Die Diplom-Ingenieurin, die sich 30 Jahre lang bei der Handwerkskammer für die Standorte der Betriebe einsetzte, treibt unermüdlich Geld ein. So spendete die Vollkornbäckerei Effenberger das Fenster der Bäcker und Schlachter. Auch die Gewerke Töpfer (Ofenbauer) und Schornsteinfeger, Schmied und Kupferschmied sowie Maschinenbauer und Schlosser sind bereits vollendet und wurden von Karsten Sommer, Obermeister der Glaser-Innung, in die Rahmen eingesetzt und von einem Tischler an Ort und Stelle eingebaut.

Zurzeit arbeiten die Glaskünstler an den Gewerken Glaser und Tapezierer, Prinzipialverein Senefelder (Lithographen) und Tiefbauunternehmer, Steinhauer/Steinsetzer. "Das Glaser-und-Tapezierer-Fenster spenden wir", sagt Corinna Hempel, "gemeinsam mit der Glaserei Sommer." Im mittleren Segment bildet Czeschka die Werkzeuge des Glasers ab: Lötkolben, Glasschneider, Kröseleisen, Blei- und Kittmesser. Der Tapezierer, heute eher ein Raumausstatter, wird im unteren Fenster mit seinen Produkten gewürdigt: ein kunstvoll drapierter Vorhang und ein Stuhl.

Jedes Fenster besteht aus 31 bleigefassten Scheiben. Das mundgeblasene Glas liefert die Glashütte Lamberts aus der Oberpfalz. Adolf Hempel schneidet das durchsichtige Material, das noch die eine oder andere Luftblase enthält, millimetergenau nach den Schablonen zu. Danach kommen Schwarzlot - Metallasche mit Öl angerührt - und türkisfarbene Glasfarbe ins Spiel, die Manuela Hempel präzise mit dem Pinsel aufträgt und so Czeschkas Entwürfe zu neuem Leben erweckt.

Zum Schluss werden die zugeschnittenen und bemalten Scheiben in den Ofen geschoben. "Bei 640 Grad verschmilzt die Farbe mit dem Glas", sagt Corinna Hempel. Was auch sehr schön daran zu erkennen ist, dass die Farbe nach dem Brennen den seidigen Glanz des Glases angenommen hat. Etwa 200 Arbeitsstunden investiert das Team in jedes Fenster - "eine Mühe, die sich lohnt", ist sich die Künstlerfamilie einig. "Denn diese Fenster halten die nächsten 100 Jahre."

Hella Häussler fiebert schon dem Oktober entgegen - dann werden Fenster Nummer sieben, acht und neun eingebaut. Wer sich bei dem Projekt engagieren möchte, erreicht sie unter Telefon (040) 61 31 25.