Feierabend-Politiker: Peter Gabriel (SPD) und Jörg Froh (CDU) engagieren sich in vielen Gremien

Fast jeden Abend in der Woche nehmen sie an Ausschusssitzungen teil. Und auch sonst sind die Feierabend-Politiker Peter Gabriel und Jörg Froh ständig für ihre Parteien im Einsatz - etwa bei Neueröffnungen von Forschungseinrichtungen, bei den halbjährlichen Deichschauen oder als Juroren städtebaulicher Wettbewerbe. Gabriel (74, SPD) nimmt sich als Rentner dazu die Zeit, Froh (55, CDU) nimmt Urlaub oder bummelt Überstunden ab. Selbst zu Hause haben die Beiden kaum Ruhe: Oft klingelt das Telefon, brauchen Menschen einen Rat, etwa weil ihr Bauantrag abgelehnt wurde. Wir wollten wissen, was die Politiker antreibt.

Gabriel und Froh sind stellvertretende Vorsitzende ihrer jeweiligen Bezirksfraktion. Die Marschländer engagieren sich seit Jahrzehnten in der Politik. Gabriel sitzt in der Bezirksversammlung, in Regional-, Haupt- und Stadtplanungsausschuss, im Bauunterausschuss für die Vier- und Marschlande sowie in der Kommission für Bodenordnung in Hamburg, die etwa über den Verkauf städtischer Immobilien entscheidet (sechs Gremien insgesamt). Bis vor wenigen Wochen war er auch Mitglied des Verkehrsausschusses. Dort sitzt Froh als verkehrspolitischer Sprecher. Er kann zahlenmäßig mit dem Sozialdemokraten mithalten, kommt auch auf sechs (Bezirksversammlung, Regional-, Haupt- und Stadtplanungsausschuss sowie Bauunterausschuss für die Vier- und Marschlande). "Wir kommen gut miteinander aus, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind", sagt Froh.

Gabriel sieht das genauso: "Ich habe vier verschiedene Fraktionsvorsitzende beziehungsweise Fachsprecher der CDU miterlebt. Die Zusammenarbeit hat gut funktioniert", sagt er. "Ich habe ja schon oft den Kommentar gehört, dass ich in der falschen Partei sei." Doch er orientiere sich halt an der Sache, sagt Gabriel. Deshalb hat er jüngst nicht mitgestimmt, als es seinen Genossen in der Bezirksversammlung darum ging, die Weichen für höhere Windkrafträder zu stellen. "Das war für mich ein Gewissenskonflikt, da das Verfahren falsch gelaufen ist, die Argumente der Bürgerinitiativen nicht berücksichtigt wurden", sagt er.

Auch Froh hält sich nicht strikt an die Parteilinie: "Ich möchte Entscheidungen im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen." Um zu wissen, was die Menschen wollen, sei er gut vernetzt, etwa Mitglied des Traktoren-Oldtimer-Clubs Hamburg.

Schon als 17-Jähriger zog Froh nach Moorfleet. "Ein Jahr später, als ich das erste Mal mein Kreuzchen machen durfte, habe ich sogar SPD gewählt. Durch mein Elternhaus habe ich ein bisschen Sozialdemokratie mit auf den Weg bekommen." Durch seine Arbeit als Bereitschaftspolizist habe er schnell das politische Lager gewechselt. Froh: "Bei Demos haben wir immer auf die Mütze bekommen. Der Senat stand mir nicht genug hinter der Polizei." Mitte der 80er-Jahre lebte Froh in der Bille Siedlung in Moorfleet - auf vergiftetem Boden. Durch die Arbeit in der Bürgerinitiative (BI) gegen Boehringer wurde er selbst politisch aktiv. 1988 trat er in die CDU ein.

Peter Gabriel erlebte den Boehringer-Skandal als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Ortsausschuss. Auch gegen eine geplante Bahnstrecke für Güterverkehr zwischen Moorfleet und Maschen engagierten sich die beiden Männer: "Damals habe ich gegen den eigenen Senat gekämpft", sagt Gabriel. Froh engagierte sich wiederum in einer BI. Froh: "Ab 1993 war ich in politischen Gremien tätig. Damals hatte unsere Partei noch viel mehr Mitglieder. Da war es gar nicht so einfach, einen Posten zu bekommen. Heute sind ja alle Parteien froh, wenn alle Posten besetzt werden können."

Gabriel trat vor 1972 in die SPD ein: "Schuld daran ist Willy Brandt. Ich war von seiner Politik so beeindruckt." Die ersten Plakate, die er klebte, waren für den Wahlkampf des früheren Hamburger Bürgermeisters (1971 bis 1974) Peter Schulz. "Damals wurden wir deshalb als ,rote Socken' beschimpft, haben wir nur nachts Plakate geklebt."

Doch zum "Ausschuss-Helden" wurde Gabriel aus einem anderen Grund. "Anfang der 70er-Jahre hatten wir im Landgebiet ein Grundstück entdeckt, auf dem wir bauen wollten. Doch der Bauantrag wurde abgelehnt. Drei Jahre später stand dort das Haus von eines anderen. Dessen Antrag war genehmigt worden, weil er in einer Partei aktiv war". Gabriel war sauer wegen des Geklüngels - und wurde als Kassierer des SPD-Ortsvereins Ochsenwerder selbst aktiv.

Seitdem ist die Ausweisung von Wohnbauflächen sein Steckenpferd. Im Ortsausschuss, den es damals statt des Regionalausschusses gab, habe er die Vergabe-Praxis bei Baugenehmigungen gründlich verändert. "Damals ging es nach dem Motto 'Kennst Du den und diesen'. Außerdem durften nur Lücken bebaut werden, die maximal 30 Meter groß waren. Heute sind es bis zu 90 Meter. Damals gab es keine Bebauungspläne, alles musste nach der Hamburger Baupolizeiverordnung geregelt werden. Da bedurfte es dringend einer Regelung", sagt der ehemalige Verwaltungsangestellte. Schnell war der Mann mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und dem Durchblick bei komplizierten Genehmigungsverfahren Fraktionsvorsitzender im Ortsausschuss.

"Damals hat es mich gepackt, weil ich merkte, dass ich etwas bewegen konnte", sagt Gabriel. Froh pflichtet ihm bei: "So ging es mir auch - erst in den Bürgerinitiativen, später in den Ausschüssen."

Warum tun die beiden Politiker, die lediglich Aufwandsentschädigungen erhalten, sich das an? "Politik bestimmt das Leben von uns allen. Wichtig ist, dass es gerecht zugeht. Daran will ich mitarbeiten", sagt Gabriel. "Mitgestalten" ist das Zauberwort auch für Froh, der sich ebenfalls für "Gleichberechtigung und Gerechtigkeit" einsetzen möchte. Ob das extreme Engagement mit dem eigenen Ego zusammenhänge? "Das will ich nicht ausschließen", sagt Gabriel. Der Preis ist hoch: "Vieles bleibt liegen. Ich würde gern häufiger an meinem Trecker schrauben", sagt Oldtimer-Fan Froh.

Die beiden Politiker wünschen sich noch viel mehr "Nachahmer": "Man muss ja nicht so verrückt nach Arbeit sein wie wir", sagt Gabriel und lacht. Froh: "Viele schimpfen auf die Politik. Denen sage ich ,Komm und mach' es besser'."