Internet: 1000 Euro fürs Anschauen von Sex-Filmchen - Verbraucherzentrale rät, nicht zu zahlen

Karl Müller* (76) aus Kirchwerder fiel aus allen Wolken, als er jetzt Post von der Anwaltskanzlei U+C aus Regensburg bekam. 1000 Euro soll er zahlen und eine Unterlassungserklärung unterschreiben, weil er Urheberrechte im Internet verletzt habe.

Tatsächlich hatte der Rentner beim Surfen im Internet auf vier Filmchen wie "Amanda's secrets" des Sex-Portals redtube geklickt. Doch er hatte die Streifen nicht heruntergeladen, sondern lediglich die Wiedergabe aktiviert.

Bisher gingen Rechtsexperten davon aus, dass das bloße Anschauen eines Films im Netz nicht illegal ist. Doch die Anwälte von U+C weisen darauf hin, dass nach dem Anschauen eines Streams die gesamte Datei im temporären Ordner auf der Festplatte liegt. Dies sei mit dem Ziehen und Verbreiten einer Kopie gleichzusetzen.

Wie Müller geht es derzeit rund 10 000 Kunden der Deutschen Telekom. Sie wurden von der Anwaltskanzlei abgemahnt, weil sie illegal Porno-Filme bei redtube.com angeschaut hätten. Auch gegen andere Provider seien Auskunftsbeschlüsse ergangen, erklärte Anwalt Thomas Urmann von U+C laut dem Internet-Nachrichtendienst meedia.de. Seine Kanzlei habe wegen der Masse der Fälle nicht alle Abmahnungen gleichzeitig verschicken können. Zudem sei redtube.com nicht die einzige Streaming-Plattform, die überwacht werden könne. Offenbar sollen weitere Abmahnwellen folgen.

Müller und seine Frau wundern sich über die knappen Fristen, die die Anwälte setzen: "Die vier Schreiben erreichten uns alle am 7. Dezember. Gezahlt werden musste bis zum 12. Dezember - also innerhalb von nur fünf Tagen", sagt die Ehefrau. Ihr Mann fragt sich, wie die Kanzlei an seine Daten gekommen ist: "Ist das überhaupt rechtmäßig? Ich komme mir vor wie in einem Überwachungsstaat." Für ihn stelle sich die Frage, wer einen Fehler gemacht hat, "das Opfer oder diejenigen, die ganz bewusst einen Köder ausgelegt haben?" Urmann schweigt dazu, wie die Abmahn-Anwälte an die IP-Adressen der Nutzer gelangten. Das versuchen nun offenbar Anwälte der Abgemahnten zu klären.

Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt Nutzern, die abgemahnt wurden, keine Unterlassungserklärung abzugeben und nicht zu zahlen. "Die Argumentation der Kanzlei ist unsinnig, das haben wir rechtlich prüfen lassen", sagt sie. Edda Castelló geht nicht davon aus, dass U+C Tausende Klagen einreichen werden.

Weitere Informationen hat die Verbraucherzentrale im Internet parat: www.vzhh.de. Wer sicher gehen möchte, fordert per E-Mail an urheberrecht@vzhh.de eine Prüfung seines Falls mit individueller Beratung an. Die Mitarbeiter der Verbraucherzentrale versenden auf Wunsch auch einen Musterbrief, der von den Betroffenen an die Regensburger Kanzlei geschickt werden kann. Kosten: 30 Euro.

(*Name geändert)