Musikverein: Günther Dreier bläst seit rekordverdächtigen 60 Jahren die Tuba bei “Loreley“

Vor 60 Jahren gibt's die Augsburger Puppenkiste erstmals im Fernsehen, beginnt die zweite Adenauer-Ära, wird Königin Elisabeth II. gekrönt. Willy Schneider singt "Man müsste noch mal zwanzig sein" und Schlagersängerin Rita Paul wünscht sich "Spiel mir eine alte Melodie". Genau das tut in Kirchwerder einer, der noch zwanzig werden will: Erstmals bläst der 16-jährige Günther Dreier im November 1953 in den Reihen des Musikvereins Loreley stolz die Tuba. Sechs Jahrzehnte später ist der 76-Jährige der dienstälteste Tubist - und noch immer stolz dabei.

"Ich war 14 Jahre alt, als ich bei Robert Meier in Neuengamme Unterricht bekommen habe", erinnert sich Günther Dreier. Auch bei Regen und Schnee ging es die sechs, sieben Kilometer mit dem Fahrrad übers Kopfsteinpflaster, das große, etwa zehn Kilogramm schwere Instrument auf den Rücken geschnallt. Die gülden glänzende Tuba gefiel dem Jugendlichen, doch die Stunden bei Meier nicht immer. "Wir saßen in der großen Stube und übten. Manchmal lachte er mich aus, meinte, dass ich mich dusselig anstellte", erzählt Dreier. Der gekränkte Junge hätte hinwerfen mögen, wäre da nicht Frau Meier gewesen: "Sie saß während der Musikstunden oft am großen Kachelofen und strickte", erinnert sich Dreier. Sie ermahnte ihren Mann erfolgreich: "Nu' lass ihn doch, sonst verliert er noch die Lust."

Er hat sie noch heute, die große Spielfreude, die ihn auch beflügelt, sich im Musikverein über die Mitgliedschaft hinaus zu engagieren. Nach einigen Jahren als Vize ist er seit 1991 erster Vorsitzender des Orchesters, das zehn Männer im Jahr 1928 im Gasthof Seefeld gegründet haben. Lange war dies Lokal von Karl Meyer am Kirchwerder Hausdeich auch das Vereinslokal. Heute probt der Musikverein Loreley im Gasthof Hitscherberg (dienstags, 20 bis 22 Uhr, Kirchwerder Hauseich 153, Leitung Andreas Brinker).

Die Eltern von Günther Dreier haben die fünf Mark pro Woche für den Tuba-Unterricht gut investiert. Seit Jahrzehnten gibt der Tubist nun bei Schützen- oder Feuerwehrfesten, Jubiläen, Umzügen und anderen Festen den Ton an, kommt stets zuverlässig zu den Proben. "Mit Musik kann man gut einmal dem Alltag entfliehen. Wo Musik ist, das ist es einfach schön", sagt Dreier. Der Schnittblumengärtner aus Kirchwerder schaut seine Frau Helga dankbar an, die ein Lächeln zurückgibt. Oft musste sie in den vergangenen Jahren auf ihren Mann verzichten, gerade an den Wochenenden, wenn Auftritte anstanden. Doch die begeisterte Teutonia-Chorsängerin fühlt sich bei "Loreley" ebenfalls gut aufgehoben: "Da ist eine schöne Harmonie, auch für uns Frauen, keiner quakt oder meckert", erinnert sie sich an herrliche Ausfahrten. Seit etwa 20 Jahren dürfen Frauen im Musikverein Loreley auch aktiv mitmusizieren. Derzeit findet sich allerdings nur ein weibliches Mitglied im Orchester aus 15 Mitgliedern.

Günther Dreier holt seine große, alte Tuba, die in den vergangenen Jahrzehnten schon so manche Delle abbekommen hat. "Aber das macht nichts", sagt Dreier. Das unlackierte Messingblech hat er blank geputzt. Er steckt das Mundstück auf, setzt sich ganz gerade hin, holt tief Luft und lässt sie durch das Instrument strömen. Satte, tiefe Töne erfüllen den Raum. So mag Dreier das. Als Tubist spielt er im Orchester selten "die erste Geige", aber wenn, dann auch gern: "Mein Lieblingsmarsch ist ,Schloß Leuchtenburg'. Da ist auch mal ein schönes Solo für die großen Instrumente drin."