Szene: Autofreaks wehren sich gegen Kriminalisierung und melden ihre Treffen als Demonstrationen an

. Es hat sie richtig geärgert, wie sie als Cruiser in den Medien rüberkommen: Kleingeistige PS-Macker, die Freitagabend nichts anderes zu tun haben, als an der Tanke in Allermöhe die breiten Reifen ihrer aufgemotzten Boliden mit Burn-Outs zu ruinieren und waghalsige, illegale Rennen zu fahren. Ein völlig falsches Bild, protestieren die Cruiser. Marc (26) aus Mölln geht in die Offensive: "Wir sind Cruiser, keine Verbrecher."

Der 26-Jährige beschreibt die durchaus bunte Truppe als Clique Gleichgesinnter, Autofreaks und Schrauber. Der Maurer fährt selbst einen 210-PS-starken VW Jetta. Er kennt viele Cruiser seit Jahren, hat schon als Jugendlicher, damals noch ohne eigenes Auto, die kleinen Treffen in Reinbek besucht. Heute ist die Szene über Facebook und WhatsApp bestens vernetzt und tauscht sich in Foren mit mehr als 200 Teilnehmern aus.

Regelmäßig treffen sich "alte Cruiser" an der Aral-Tankstelle am Wilhelm-Iwan-Ring in Allermöhe. Sie nutzen den Freitagabend unter anderem als Börse für gebrauchte Wagenteile oder lassen sich auch mal von einem Kumpel, der es fachlich drauf hat, die Heckscheibe tönen. Sie mögen gern in Gruppen zusammenstehen, fachsimpeln und quatschen - "erstes Thema sind die Autos, zweites die Frauen", sagt Marc und lacht. Natürlich gebe es auch aktive Cruiser-Frauen. Ziemlich klar, wer und was bei ihnen Gesprächsmittelpunkt sein dürfte. Dass zumeist ein, zwei Polizeiwagen ihre Treffen flankierten, sei völlig in Ordnung.

Also alles ganz harmlos und legal? Woher kommen dann die Bilder und Berichte über illegale Rennen, Reifen-Burn-Outs oder Alkoholexzesse? Marc zieht die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel herunter: "Ja", sagt er dann, "es gibt immer wieder Neugierige, oft gar nicht aus der Cruiserszene, die sich nicht an die Regeln halten." Klar, sie würden alle gern mal flott von der Tanke fahren. Aber: Alkoholisiert ans Steuer, Menschen, Auto und den Führerschein gefährden - so dumm sei keiner der "echten Cruiser". Und Rennen fahren vor einer 600-Leute-Kulisse? Finger weg, viel zu gefährlich. Seinen Jetta könne er auch ganz legal ausfahren: "Es gibt ja Autobahnstrecken, auf denen man Gas geben darf."

Den "alten Cruisern" sei sonnenklar, dass der Tankstellenpächter die Rote Karte zieht, wenn Zufahrten oder die Tanksäulen blockiert würden oder sich jemand nicht zu benehmen weiß. Auch die Selbstkontrolle funktioniere: "Wir haben ein Auge aufeinander", versichert der 26-Jährige. Typen, die mit dicken Autos und roten Kennzeichen gefährliche Aktionen anzettelten, würden von der Gruppe schnell isoliert und verdrängt. So wie vor einigen Wochen der überdrehte BMW-Fahrer, der seinen Wagen unter einem Lkw gecrasht hat. Doch: Je mehr der Cruiser-Treffpunkt in den öffentlichen Fokus gerate, desto mehr Neugierige und Grünschnäbel locke er an. Nicht zuletzt seien große Polizeiaktionen, bei denen es jüngst als "vorsorgliche Gefahrenabwehr" mehr als 400 Platzverweise gab, eher kontraproduktiv. Einerseits locke dies sensationsheischende Möchtegern-Cruiser an. Andererseits verteile sich die harte Szene letztlich nur auf andere Orte.

Die "alten Cruiser" wollen sich nicht so ohne Weiteres von ihrem Stamm-Treffpunkt am Wilhelm-Iwan-Ring vertreiben lassen. Vergangene Woche hatte Sascha Barz (30) aus Glinde das Treffen bei der Polizei erfolgreich als "Versammlung unter freiem Himmel" angemeldet. Für heute hat die Polizei die identische Anmeldung nicht entgegengenommen, weil festgestellt wurde, dass "das Treffen der Cruiser keinen Versammlungscharakter hat", sagt Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Soll heißen: Es fehlten die Merkmale einer Demonstration, wie das Kundtun ihres Zwecks etwa mit Transparenten oder Reden. So könnte ein Treffen diesmal von der Polizei aufgelöst werden. Neueste Cruiser-Überlegung: Autofans treffen sich privat auf privatem Grund - mit Zustimmung des Tankstellenpächters eine denkbare Variante am Wilhelm-Iwan-Ring.