Neuengamme. Mit einem gewagten Programm erfreute die Hamburger Singakademie mehr als 300 Konzertbesucher im Klinkerwerk der KZ-Gedenkstätte.

Gemeinsam mit dem Schlagwerk-Ensemble "Elbtonal Percussion", zwei Gesangssolisten, zwei Pianisten sowie Flöten und Gitarren intonierte der Chor unter Leitung von Jörg Mall den "Canto General" des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis und des chilenischen Dichters Pablo Neruda. Das monumentale Oratorium, das Theodorakis aus einer Auswahl von Nerudas Versen im Jahr 1972 in nur einer Woche erschaffen hat, hinterließ tiefe Eindrücke beim Neuengammer Publikum.

Freilich ist Theodorakis' Mischwerk aus klassischen, folkloristischen und populären Elementen kein Geniestreich wie aus der Feder eines Verdi oder Wagner - gleichwohl rührt diese flammende Hymne auf Gerechtigkeit und Menschenwürde das Gemüt. Neruda hat ebenso wie Theodorakis als politischer Widerständler in seinem Heimatland Misshandlungen und Folter erfahren. Sein bedeutendstes Buch "Canto General" wurde 1971 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Es erzählt die Geschichte der letzten 500 Jahre seit der Entdeckung Mittel- und Südamerikas durch Europäer aus der Sicht der Verlierer, der Opfer und Märtyrer.

Insbesondere die zahlreichen lautmalerischen Passagen des achtteiligen Werkes überzeugten: die in weiten melodischen Bögen sich martialisch schlängelnde Anaconda, die - wie die damals gleichnamige nordamerikanische Kupferminengesellschaft - Land und Leute umschlingt. Oder die United Fruit Company, die karawanengleich mit marschrhythmischen Trommelschlägen Bananen-, Zuckerrohr- und Kaffeerepubliken erobert.

Schauspieler Rolf Becker rezitierte die in spanischer Sprache gesungenen Texte vorab auf deutsch und ebnete den Zuhörern so den Weg in eine recht fremde musikalische Welt. Sie dankten es mit anhaltendem Applaus.