Altengamme (wi). Chiko bemerkt es zuerst. Der zehn Monate alte Deutsche Schäferhund läuft zielstrebig zu einer verwucherten Böschung am Straßenrand. Auch Robin Hausberg hört ein Schreien, das nur schwer zuzuordnen ist.

Als Hund und Herrchen an die Stelle treten, von wo das Geräusch kommt, löst sich das Rätsel auf: Ein Rehkitz hat sich in einem zusammengewickelten Stacheldraht verfangen.

Der 18-jährige Altengammer befreit das Kitz aus seiner misslichen Lage. Sofort verstummt sein Klagen. Zu Hause am Altengammer Hausdeich untersucht Robin Hausberg, der in Kürze eine Ausbildung zum Tierpfleger beginnt, das Kitz auf äußere Verletzungen, tastet vorsichtig seine Beine ab. Bis auf ein paar Kratzer kann er nichts entdecken, der Gesamteindruck des etwa zweieinhalb Wochen alten Tieres gefällt ihm aber gar nicht. "Es wirkt sehr schwach", sagt Hausberg.

Er ruft bei einer Wildtierstation an. Dort wird ihm bestätigt, dass es in diesem Fall richtig war, das Rehkitz mitzunehmen, und er erhält Tipps für die Erstversorgung des Findelkindes. Es klappt. Nach wenigen Fehlversuchen nuckelt das Kitz gierig an der Flasche, der warme Fencheltee scheint ihm zu schmecken. Auch Eigelb aus der Einwegspritze gibt dem Kleinen etwas Energie zurück.

"Mittlerweile ist das Rehkitz wieder bei Kräften", sagt Robin Hausberg, "übt in seinem Gehege Laufen und macht auch schon ein paar Bocksprünge." Langsam fängt es auch an, Kräuter und Gräser abzuknabbern. Seine Hauptnahrung bekommt es aber immer noch aus der Flasche: Schafsmilch in Pulverform, die Robin Hausberg von einem freundlichen Schäfer aus der Nachbarschaft bezieht und mit Wasser anrührt. In etwa vier Wochen, wenn die Kitzflecken langsam verblasst sind, wird der 18-Jährige sein Pflegekind in eine Wildtierstation geben. Leicht dürfte ihm der Abschied nicht fallen, und auch Chiko wird seinen vierbeinigen Freund wahrscheinlich vermissen.