Altengamme (ten). Sie duckt sich seit Jahrhunderten hinter dem schützenden Deich in Altengamme und blieb selbst manchem Vierländer bisher verborgen: die 1691 erbaute Fachwerkkate am Altengammer Elbdeich 138.

Seit Jahresanfang steht das Haus leer. Was daraus wird, ist noch nicht ganz klar: "Wenn es irgend geht, wollen wir die Kate erhalten. Sie ist auch ein Teil von mir", sagt Inhaberin Marleen Puttfarken (50) und spricht damit auch ihrem Vater Ernst Stahlbuck (83) aus dem Herzen. Die Familien wohnen direkt neben der Kate. Marleen Puttfarken verbindet manche Szene aus ihrer Kindheit mit dem etwa zehn mal 15 Meter großen Haus, das acht Jahrzehnte lang das "Max-Laudan-Heim" war. Die Niederdeutsche Singschar (damals noch Verein Liederfreunde) hatte die verfallene Kate in der Blüte des Vereins 1927 entdeckt. "Etwa 75 Wochenenden waren notwendig, um aus dieser Kate ein würdiges Landheim zu errichten", heißt es in der Festschrift, die zum 50-jährigen Bestehen des Heims 1978 erschien. Der Kochdienst lag während der Herrichtungsphase in den Händen von Max Laudan, ein Lehrer, der 1919 den wanderfreudigen Verein Liederfreunde gegründet hatte. Die heimischen Altengammer - besonders der damalige Besitzer der Kate, Emil Stahlbuck - und die "Landheimer" wurden während dieser Zeit zu Freunden.

Fortan war die Altengammer Kate beliebtes Ziel der Sänger, die dort ihre Sing-Freizeiten, Wochenenden und auch Ferien verbrachten. "Es waren immer viele Kinder da. Es wurde gesungen und gespielt, Laternenumzüge, Sonnenwendfeier und Osterfeuer organisiert", erzählt Marleen Puttfarken, die selbst nicht Mitglied der Singschar war. "Es war schön. Manchmal habe ich auch auf dem Schlafboden auf einer der Matratzen übernachtet", erinnert sie sich an Momente unbeschwerter Kindheit.

Tatsächlich war das "Max-Laudan-Heim" für die "Städter" ein zweites Zuhause, in den Kriegszeiten für 30 von ihnen sogar lebensrettende Zuflucht. So gewann die unscheinbare Kate zunehmend an Bedeutung, schweißte die "Landheimer" noch fester zusammen. In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen ist es nachzulesen, wie liebevoll sich Singschar-Mitglieder an die Zeiten in ihrem Heim erinnern, "wo wir bei hoher Flut direkt am Deich baden konnten, wo von morgens bis abends Schach gespielt wurde und wo wir bei schlechtem Wetter Mal- und Dichterwettbewerbe mit großen Preisverteilungen austrugen".

Noch heute lehnt in dem ansonsten nur noch karg möblierten Haus ein Schachbrett an der Wand des früheren Lesezimmers, in dem sich auch diverse Bücher befanden und dessen Wandsimse mit Laubsägearbeiten geschmückt waren. In der "Knollenecke" neben dem großen Kamin hat auch Ernst Stahlbuck mit den "Landheimern" manche Runde "Skat gekloppt". Gut hatte es, wer nicht allzu groß gewachsen war: Die Türhöhe vom Tagungsraum in angrenzende Zimmer misst gerade mal etwa 170 Zentimeter.

Am Aufgang zum großen "Schlafboden" hängt noch eine von zwei Landkarten. "Unsere Kinderfinger sind so oft darauf längs gefahren, dass man schon Rillen sehen konnte auf den Wegen nach Altengamme zum Max-Laudan-Heim", sagt Marleen Puttfarken. Und auch das Bleiglasfenster vis à vis weckt Erinnerungen: "Immer wieder haben wir die verschiedenfarbigen Vierecke durchgezählt."

All' das ist Geschichte. Denn in den letzten Jahren nahm das Interesse am Max-Laudan-Heim als Ferienort bei den "Städtern" immer mehr ab. Auch der Verein selbst schrumpfte. Und so machte Anfang dieses Jahres folgende Mitteilung die Runde: "Hebbt ji al hört: Dat Max-Laudan-Heim un de Niederdeutsche Singschar givt dat nich meer." Ein Abschied von Chor und Haus mit mindestens einer Träne im Knopfloch. Tröstend ist da, was Fred Büttner von der Singschar schon vor 30 Jahren wusste: "Der Zauber, der von diesem Haus ausgeht, wird jedoch für jeden, der es einmal betreten hat, zu einem unsichtbaren Band - so manches muss man eben aus der Ferne lieben." Ein Zauber, dem auch die heutige Besitzerin Marleen Puttfarken längst erlegen ist: "Dieses Haus hat soviel Atmosphäre. Ich liebe es einfach."