Die Marschlande mausern sich zu einem Zentrum für biotechnische Forschung. Während auf dem E.on-Hanse-Gelände am Allermöher Deich Mikro-Algen gegen den Klima-Killer Co2 eingesetzt werden, entsteht 300 Meter Luftlinie entfernt Hamburgs erste Biogas-Anlage für nachwachsende Rohstoffe.

Am Vorderdeich entsteht Hamburgs erste Biogas-Anlage für nachwachsende Rohstoffe.

Etwa 2,5 Millionen Euro investiert Richard Herrling in das Projekt, das ihm sehr am Herzen liegt. "Fossile Brennstoffe wie Erdöl werden spätestens in 50 Jahren knapp", sagt der 40-jährige Reitbrooker, "deshalb müssen neue Verfahren zur Energiegewinnung entwickelt werden."

Auf einer Gesamtfläche von 8000 Quadratmetern entsteht auf seinem Grundstück am Vorderdeich eine Anlage mit einer Leistung von 350 Kilowatt (kW) pro Stunde. Ein normaler Haushalt verbraucht sieben bis acht Kilowatt am Tag, "demzufolge kann die Anlage bis zu 1200 Haushalte versorgen", sagt Herrling. Genau das hat er vor. Ziel ist es, das Gas in eine Leitung einzuspeisen, die direkt neben der geplanten Anlage im Boden verläuft.

Biogas bildet sich in der Natur immer dann, wenn sich organische Verbindungen unter Luftabschluss zersetzen - zum Beispiel bei der Verwesung von totem tierischem und pflanzlichem Material. Verantwortlich dafür sind anaerobe Bakterien, die ohne Sauerstoff leben können. Eine Biogas-Anlage arbeitet nach dem gleichen Prinzip. In Reitbrook wird Maissilage in luftdicht verschlossene Fermenter gefüllt. Nun beginnen die Bakterien mit ihrer Arbeit, und bei dem in mehreren Stufen ablaufenden Prozess bildet sich Methangas.

Probleme bereitet bei dieser Form der Energiegewinnung zurzeit noch das Ungleichgewicht zwischen In- und Output. "Wir setzen 100 Prozent Maissilage ein und bekommen nur 52 Prozent verwertbares Gas heraus", sagt Michael Höfermann vom Vorstand des Anlagenbauers Cowatec AG. Entsprechend arbeiten Wissenschaftler des Forschungsunternehmens Bioptec daran, die Methanrate zu steigern. Im Labor, das sich ebenfalls am Vorderdeich befindet, "sind schon bis zu 94 Prozent erzeugt worden", sagt Höfermann. Realistisch seien aber 60 bis 65 Prozent in der Anfangszeit, "immerhin schon 20 Prozent mehr". Parallel dazu forschen die Wissenschaftler an der Gewinnung von Biowasserstoff. "Der ist mindestens so interessant wie Biogas", sagt Herrling.

Die Erdarbeiten sind bereits in vollem Gange, die Gruben für den liegenden und die beiden stehenden Fermenter sowie für die 2000 Quadratmeter große Halle ausgehoben. In ihr sollen die gesamte Mess- und Steuerungstechnik, das Blockheizkraftwerk, Kompressions- und Gasreinigungsanlage sowie Aufenthaltsräume für das Personal Platz finden.

Außerdem türmen sich 10 000 Kubikmeter Silage auf dem Gelände. Sie werden gebraucht, wenn die Anlage im Frühjahr in Betrieb geht. Dann werden jeden Tag 30 Tonnen "verfüttert". "Dass wir zwei Ernten lagern müssen, war nicht geplant", sagt Herrling, sondern liege an der Baugenehmigung, die eineinhalb Jahre auf sich warten ließ.

Der Transport der Maissilage vor wenigen Wochen verärgerte einige Anwohner des Neuengammer Hausdeichs. Sie fühlten sich von den bis zu 100 Traktoren am Tag belästigt. "Die Erntemenge ist nicht mehr geworden", sagt Herrling, "nur dass jetzt alles nach Reitbrook gebracht wird." Außerdem, fügt der 40-Jährige hinzu, transportiere er tausendmal lieber Silage als Castor-Behälter über den Deich.