Von Volker Gast

Bergedorf.
Es sind entscheidende Wochen für Olympiasieger Eric Johannesen (RC Bergedorf). Vom 31. August bis 6. September stehen für den 27-jährigen Ruderer des Deutschland-Achters auf dem Lac d'Aiguebelette in den Savoyen (Frankreich) die Weltmeisterschaften an. Platz fünf muss her, um sich für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu qualifizieren. Außerdem gibt es die Revanche gegen das Boot Großbritanniens, gegen das die Deutschen in diesem Sommer schon dreimal verloren. Nach drei Wochen Trainingslager in Kärnten geht es am Sonntag nun für den letzten Schliff ins Leistungszentrum nach Ratzeburg. Die Sportredaktion sprach mit Johannesen über die WM, Olympia und eine Glasschale voller Süßigkeiten.

Herr Johannesen, auf unserem Foto klatschen Sie sich mit dem Berliner Anton Braun ab. Sind die anderen Ruderer im Deutschland-Achter für Sie Kollegen oder Freunde?

Eric Johannesen:

Wir sind sehr oft und lange zusammen, da entwickeln sich schon Freundschaften. Das ist auch wichtig, denn wir müssen einander blind vertrauen können, dass jeder im Rennen auch wirklich an sein absolutes Maximum geht.

Kann man das bei der Videoanalyse sehen, ob einer sich voll verausgabt hat?

Nein, das kann man nicht. Es gibt natürlich Messinstrumente, aber die haben wir nicht immer dran.

Wie verhält es sich mit dem Vertrauen, wenn das Team eine Pleite erlebt wie Anfang Juli bei der Regatta in Henley, als der deutsche Achter mit zweidreiviertel Längen vom Olympiazweiten Großbritannien geschlagen wurde?

Das war für mich das erste Mal, dass wir so deklassiert worden sind. Wir sind Henley damals aus dem vollen Training heraus gefahren. Man fängt dann an, alles zu hinterfragen. Das ist auch nicht immer der beste Weg. Wir sind halt keine Maschinen. Man muss die Ruhe bewahren.

Ist der Deutschland-Achter schwächer als früher?

Wir sind sicher nicht ganz so konstant wie das Team des Jahres 2011.

Kann das bis zu Olympia in Rio noch wachsen?

Auf jeden Fall. Wir bestreiten ja ganz bewusst in diesem Sommer ein paar Rennen mehr und experimentieren.

Wie lief es im Trainingslager in Österreich?

Sehr gut. Alle sind gesund geblieben. Wir hatten in den ersten zehn Tagen zwischen 35 und 40 Grad.

Was folgt nun in Ratzeburg?

Wir testen in einem Relationsrennen, wo wir stehen. Dabei treten der Achter und der Doppelvierer in Relation zu den jeweiligen Weltbestleistungen gegeneinander an. Beim Achter sind das 5:19 Minuten auf 2000 Meter, beim Doppelvierer 5:33 Minuten. Der Doppelvierer bekommt also 14 Sekunden Vorsprung oder etwas weniger, und der Achter muss ihn dann überholen. So simulieren wir die Bord-an-Bord-Kämpfe bei einem Rennen. Denn eines ist sicher: Die WM wird nicht um Längen entschieden.

Die Olympischen Spiele in Rio sind bereits am Horizont. Wie groß ist der Aufwand für Sie?

Ich bin Student an der Hamburg School of Business Administration und arbeite bei der Georg Duncker GmbH und Co. KG, einem Schiffsversicherer. Das Rudertraining sind etwa 25 Stunden pro Woche, hinzu kommt die Pendelei nach Dortmund.

Fällt es Ihnen schwer, für den Sport Verzicht zu üben, zum Beispiel auf Süßigkeiten?

Nein. Zu Hause haben wir in unserem Wohnzimmer sogar eine ganze Glasschale voll mit Süßigkeiten. Die steht den ganzen Tag da, ohne dass ich den Wunsch hätte, mich dort zu bedienen. Wenn ich mir in der trainingsfreien Zeit was gönnen will, dann eher das eine oder andere Glas Cola.

Hamburg bewirbt sich um die Spiele 2024. Was macht für Sie als Olympia-Teilnehmer den Reiz der Spiele aus?

Es gibt im täglichen Leben nur wenige Schnittstellen, die Menschen so zuammenbringen wie der Sport. In London war es schön zu sehen, wie eine ganze Stadt die Spiele erlebt hat. Wir waren eines Abends mit Freunden essen beim Italiener, und ich hatte meine Goldmedaille dabei. Als der Wirt die sah, hat er eine Flasche Sekt spendiert, und wir haben alle angestoßen.

Wie schätzen Sie Hamburgs Chancen ein?

Ich glaube, Hamburg hat bisher vieles richtig gemacht. Die Stadt kann mit ihrer Bewerbung ein Zeichen gegen den Gigantismus setzen. Aber wie im Sport kann man nur alles geben und muss dann schauen, ob es reicht. Man muss seinen Weg immer weitergehen und hanseatisch cool bleiben.