Von Olaf Lüttke

Bergedorf.
Jetzt ist das Ziel zum Greifen nah. Endlich. Nur noch wenige Meter sind zu laufen. Da ist es, das Stadion von Roth. Die Menschen stehen Spalier, sie jubeln. Nach 12 Stunden, 34 Minuten und 20 Sekunden läuft Antje Schneider über den roten Teppich. 3,8 Kilometer im Wasser, 180 Kilometer auf dem Rennrad und ein Marathonlauf liegen hinter der Triathletin der TSG Bergedorf. Vorbei sind alle Qualen, wie weggeblasen die Schmerzen. Pures Adrenalin rauscht durch die Adern. Dieser Moment ist der Lohn für ein Jahr harte Arbeit.

Vor einem Jahr hat die Technische Redakteurin begonnen, sich auf den "Iron-Man" vorzubereiten. Immer dieses eine Ziel vor Augen: im deutschen Triathlon-Mekka Roth an den Start zu gehen. Es ist einer der größten Wettbewerbe weltweit. 5000 Sportler kommen in die Stadt im Mittelfränkischen, die 50 Kilometer von Nürnberg entfernt liegt. In diesem Jahr säumten rund 250 000 Menschen die Strecke.

Um dabei zu sein, hat sie auf viel verzichtet. Nach der Arbeit zum Training, dann noch etwas essen, anschließend fällt sie ins Bett. 10 bis 20 Stunden pro Woche hat die 46-Jährige für ihren großen Traum geopfert. "Viele meiner Freunde haben gesagt ,Die spinnt, die Antje'", berichtet Schneider. Im April fing sie sich eine Bronchitis ein, sie stand kurz vor einer Lungenentzündung. Sechs Wochen lang ging nichts. Die "Datev Challenge Roth", wie sie offiziell heißt, geriet in weite Ferne. Knapp 500 Euro Startgebühr, alles für die Katz'? Nicht mit Schneider.

"Ich war immer zäh und mental stark", sagt die nur 1,67 Meter große Ausdauerathletin. Seit 2009 ist sie dabei. Der Triathlon in den Vierlanden war ihre Premiere. Rund ein Jahr später hat der Blondschopf bereits den Nachwuchs der TSG Bergedorf trainiert. Die Krankheit lässt sie schließlich hinter sich. Zusammen mit Markus Hegemann, Anja Deiters und Frank Hummel - sie alle starten für die Tri-Bandits, die Triathlon-Abteilung der TSG - macht sie sich auf den Weg in die bayerische Provinz.

Geschwommen wird im Kanal: dem Rhein-Main-Donau-Kanal. Die erste Disziplin geht Schneider leicht von der Hand. Ein paar Tritte, das hält sie aus. Wichtig sind die Übergänge zu den einzelnen Disziplinen, das hat sie extra trainiert. Die Muskeln müssen sich an den jeweils neuen Bewegungsablauf gewöhnen.

Nach 120 Kilometern auf dem Rad beginnt die emotionale Achterbahnfahrt. Der Nacken schmerzt, der Hintern tut weh. Rund acht Liter Flüssigkeit nimmt sie unterwegs zu sich. Fies ist der Duft nach Bratwürstchen. Überall an der Strecke wird gegrillt. Doch Schneider muss sich mit spezieller, fade schmeckender Sportlernahrung begnügen. Jetzt geht es bei 32 Grad Celsius den Solarer Berg hoch.

Wie bei der Tour de France bilden die Zuschauer eine enge Gasse. "Wen das nicht pusht, bei dem läuft etwas falsch", sagt Schneider. Menschen rufen ihren Namen, der über der Startnummer steht. Nach 6:22 Stunden auf zwei Rädern sind nun die Füße an der Reihe. Ein Helfer unterstützt sie bei den Schuhen. "Bei einem Marathon kommt der Hammer ab Kilometer 30, beim Iron Man schon ab drei", sagt Schneider über das dritte Teilstück. Und: "Man muss vor allem seinen Puls gut kennen." Das tut sie.

Im Ziel stehen ihr die Haare zu Berge. Tränen laufen Antje Schneider über die Wange. Als ihr Freund Markus Hegemann später ins Ziel kommt, umarmt er sie. "Iron Lady", sagte er nur.