Von Jan H. Schubert

Lohbrügge.
Der Anführer warnte seine Mitspieler kurz vor Schluss. "Verursacht bloß keinen Elfmeter mehr", redete Lohbrügge-Kapitano Ismail Polat besonders auf seine Innenverteidiger Marcel Peters und Arafat Akyil ein. Der VfL führte in der Landesligapartie gegen den Tabellenführer FC Türkiye überraschend mit 3:2 - auch, weil Spielleiter Benjamin Stello zuvor zwei korrekte Elferentscheidungen für die Gastgeber getroffen hatte.

Dann die 90. Minute. Türkiyes Lamin Jawla dribbelt in den Strafraum, sucht den Körperkontakt zum Gegenspieler und fällt. Stello zeigt auf den ominösen Punkt. Die Chance für den Aufstiegsaspiranten: Der frühere Spielmacher des FC Bergedorf Sascha de la Cuesta verwandelt zum 3:3-Endstand. Wer war eigentlich der Verursacher des Strafstoßes? "Isi" Polat! Er hatte die Anderen noch gewarnt. "Ausgerechnet mir muss das passieren", sagte der Unglücksrabe. Es war ein Fußballspiel mit vielen Geschichten um einzelne Akteure.

Im ersten Durchgang verstand es der VfL glänzend, die Räume dicht zu machen und durch einen Elfmeter in Führung zu gehen: Türkiyes Devran Barlak stieß Tim Santelmann auf der Strafraumlinie um. Marco Braesen blieb nervenstark und verwandelte sicher (29.).

Nach der Pause erhöhte Türkiye die Schlagzahl. Das Traumtor gelang aber Faik Algan: Lohbrügges einzige Spitze überraschte mit einem ansatzlosen Schuss unter die Latte zum 2:0 (55.). Es folgte der erste missglückte Auftritt von Kapitän Polat. Seine Kopfballabwehr nach einer Ecke landete auf dem Fuß von Vasco Zawada - nur noch 2:1 (60.). Doch die Hausherren hielten dagegen und konterten gefährlich. Ahmad Hafiz wird bei einem Schnellangriff von Abdessamad Erbibi gefoult - wieder Elfmeter für Lohbrügge, dieses Mal versenkt Julian Kerschke (72.).

Mittendrin zwischen Elfmeterpfiffen und Dauerdruck geht eine wichtige Szene fast unter: Türkiyes Jawla, schon gelbbelastet, foult noch einmal kartenwürdig. Stello hat die fatale Kartonfolge schon in der Hand, lässt aber nicht nur zur Verwunderung von VfL-Trainer Peter Martens dann doch Gnade walten. Der 57-Jährige meint später: "Was mich wirklich wurmt, ist, dass der Spieler, der den Elfer in der 90. Minute rausholt, nicht mehr hätte auf dem Platz stehen dürfen." Zuvor unterläuft Lohbrügges Hafiz noch ein Fehler vor dem 3:2: Er legt den Ball für Bilyal Mustafov auf (83.). Der Rest ist hinlänglich erzählt.

Wut, Trauer, Enttäuschung nach aufopferungsvollem Kampf - dies seien die Gefühlslagen, die in der Kabine nach Spielschluss vorherrschen würden, berichtet Martens. Und ein untröstlicher Polat. Der aber seinen Seelenfrieden wieder finden sollte: Der VfL Lohbrügge hat durch den Punkt den Klassenerhalt zu 99 Prozent sicher.

VfL:
Nennhaus (3-4); Schenkenberg (3-4), Peters (2-3), Akyil (3), Santelmann (2); Polat (4-5); Braesen (3) ab 79. Özcerkes (-), Fehlandt (2-3) ab 87. S. Sander (-), Hafiz (3-4), Kerschke (2) ab 73. Pallasch (-); Algan (2-3).